Eine neue Strategie soll es richten
NRW-Linkspartei schärft antikapitalistisches Profil und will Rot-Grün stärker unter Druck setzen
Gleich zu Beginn seiner Rede stärkte Oskar Lafontaine den umstrittenen Bundesvorsitzenden der Linkspartei den Rücken: Wer von außen angegriffen werde, müsse die Solidarität der Partei erfahren. Zwar habe Fidel Castro »viel auf dem Kerbholz«. Doch er habe »eine Insel« von einer brutalen Diktatur befreit, so der Parteitagsgastredner mit Blick auf einen von Gesine Lötzsch und Klaus Ernst unterzeichneten Geburtstagsbrief, der Negativ-Schlagzeilen ausgelöst hatte. Derweil würden wir alle immer noch in einer »feudalen Ordnung« leben, einer »Diktatur der Finanzmärkte« mit ihren völlig aus dem Ruder gelaufenen »Zockerbuden«, kritisierte Lafontaine. Die Bundesregierung fühle sich lediglich den Interessen der Börsen und Ratingagenturen verpflichtet. Die LINKE müsse der »Hybris der Konservativen« ein »kämpferisches Selbstbewusstsein entgegensetzen«. Klare Kante, klarer Kurs: Lafontaine streichelte die Seele der auch in NRW gebeutelten Genossinnen und Genossen. Als der Ex-Parteichef das Rednerpult nach einer Stunde verließ, waren ihm stehende Ovationen sicher.
In den Niederungen der Landespolitik bleibt indes mühsame Konsenssuche angesagt. Das gilt insbesondere für die Gretchenfrage linker Politik an Rhein und Ruhr: Wie soll die Landtagsfraktion sich zum Landeshaushalt verhalten? Die Etats 2010 und 2011 hat die Linksfraktion jeweils durch Stimmenthaltung ermöglicht und dabei – trotz Bauchschmerzen – darauf verzichtet, der rot-grünen Minderheitsregierung ein Bein zu stellen. Das hätte auch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Neuwahlen geführt – mit klarer rot-grüner Mehrheit und wohl einem Landtag ohne die LINKE.
Nun soll es eine neue Haushalts-strategie richten: Eine linke Enthaltung soll künftig nur dann möglich sein, wenn Rot-Grün einen »substanziellen Teil der Steuermehreinnahmen« für »zusätzliche Investitionen und Ausgaben in gesellschaftlich dringliche Belange« ausgeben wolle, insbesondere ein Sozialticket für den ÖPNV. Die Partei müsse der Fraktion dabei frühzeitig »die grundsätzliche Richtung vorgeben«, die zudem gegenüber der Öffentlichkeit klar kommuniziert werden soll. Das Ziel: gegenüber Rot-Grün einen größeren Druck aufzubauen.
Die LINKE könne nur stärker werden, wenn sie sich »nicht weiter mit sich selbst« beschäftige, »sondern selbstbewusst ihren antikapitalistischen Kurs hält«, heißt es in einem Leitantrag des Landesvorstandes. Er wurde auf dem Landesparteitag fast einstimmig beschlossen.
Heftig diskutiert wurde ein Antrag, der den Schlüssel für die Verteilung der Mitgliedsbeiträge temporär zu Gunsten des Landesverbandes ändert, um dessen Professionalisierung weiter voranzutreiben. Die Kreisverbände erhalten nun lediglich 40 statt 50 Prozent. Das gilt solange, bis der Durchschnittsbeitrag in NRW um einen Euro pro Monat gestiegen sein wird. Derzeit liegt er bei als lausig empfundenen 5,76 Euro.
Der Landesparteitag diskutierte auch den Entwurf für ein Bundesprogramm der Linkspartei: Die Delegierten wollen einen Austritt aus der NATO und einen Verzicht auf jegliche Auslandseinsätze der Bundeswehr. Brisant: Die Programmentwurfspassagen zum Öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS) wurden vom Parteitag abgelehnt: Der ÖBS sei »gänzlich ungeeignet«, um Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen – und vielmehr Ausdruck »der Hartz-IV-Logik« und damit »der Spaltung der Erwerbslosen«. Dies ist ein Affront gegen ostdeutsche Landesverbände, die den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor auf- bzw. ausbauen wollen. So wurden etwa im rot-rot regierten Berlin bis 2009 mehr als 5000 ÖBS-Stellen geschaffen.
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