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Kidnapping über den Wolken

Eine Kulturgeschichte der Flugzeugentführungen

  • Kai Agthe
  • Lesedauer: 3 Min.

Das erste Flugzeug wurde 1931 in Peru gekapert. Rebellen nutzten es, um damit Flugblätter abzuwerfen. Nach der Aktion gaben sie das Fluggerät an den Piloten zurück. Genau 70 Jahre später bot sich ein ganz anderes Bild: Terroristen von Al Qaida nahmen voll besetzte und voll betankte Flugzeuge als fliegende Bomben, um damit verheerende Anschläge in New York und Washington zu verüben, bei denen mehrere tausend Menschen ums Leben kamen.

Die Flugzeugentführung ist also fast so alt wie der Linienverkehr. Die Potsdamer Historikerin Annette Vowinckel geht in ihrem spannenden wie informativen Buch diesem Phänomen nach. Zunächst wollte sie, wie sie mitteilt, eine allgemeine Geschichte der Flugzeugentführungen schreiben. Doch die wäre, da sich die Motive und Vorgehensweisen der Entführer in den meisten Fällen stark ähneln, relativ schnell erzählt gewesen. Also hat sich die Autorin entschlossen, eine Kulturgeschichte der Luftpiraterie zu verfassen. Den größten Part in dem Band bilden denn auch neben der Geschichte der Flugzeugentführung Ausführungen über die Psychologie des Fliegens sowie die Darstellung von Luftpiraterie im Medium Film.

Die sachkundige Autorin analysiert, wie das Thema in den vergangenen drei Jahrzehnten in Dokumentar- und Spielfilmen in Szene gesetzt wurde. Natürlich hat Hollywood Szenarien zur Luftpiraterie in Blockbustern dutzendfach variiert. Und bald nach seiner Einführung 1970 hat sich auch der »Tatort« des Themas angenommen: »AE 612 ohne Landeerlaubnis« mit Kommissar Trimmel war 1971 zu sehen. Als Beispiel aus der zeitgenössischen deutschen Literatur stellt Annette Vowinckel ausführlich F. C. Delius' Roman »Mogadischu Fensterplatz« (1987) vor.

Allein zwischen 1947 und 1990 wurden insgesamt 821 Flugzeugentführungen registriert. Die »klassische« Zeit von Flugzeugentführungen waren dabei die 1960er und 1970er Jahre, weil kaum ernsthaft überprüft wurde, was die Passagiere mit an Bord nahmen. Dank zunehmender Sicherheitsmaßnahmen ist die Zahl rückläufig, wenngleich der 11. September 2001 in der Geschichte der Luftpiraterie als besonders verheerendes Ereignis gelten muss.

Ein Trauma für die deutsche Luftfahrt stellte die erst durch das Eingreifen einer Abteilung der GSG 9 in Mogadischu beendete Entführung des Lufthansa-Flugzeugs »Landshut« im Herbst 1977 dar. Das Ereignis stand in engem Zusammenhang mit der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer durch die Rote Armee Fraktion. Mit der Kaperung des Lufthansa-Flugs LH 181, der sich auf dem Weg von Palma de Mallorca nach Frankfurt am Main befand, sollte die Freilassung inhaftierter RAF-Mitglieder der ersten Generation erpresst werden.

Neben diesen tragischen Vorfällen gab es auch Entführungen von Flugzeugen, auf die der Volksmund, weil sie glimpflich verliefen, mit Mutterwitz reagierte. Nach Verhängung des Kriegsrechts in Polen wurden allein in den Jahren 1981 bis 1983 zehn polnische Flugzeuge nach Tempelhof im damaligen West-Berlin entführt. Deshalb wurde das Kürzel LOT, der polnischen Fluggesellschaft, von den vorlauten Berlinern mit »Landet oft in Tempelhof« übersetzt.

Annette Vowinckel: Flugzeugentführungen. Eine Kulturgeschichte. Wallstein-Verlag, Göttingen 2011. 192 S., geb., 19,90 €.

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