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Nicht in der »PIIGS-Falle«

Europas Staatsschuldenkrisen treffen Versicherte auch in Deutschland

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Staatsschuldenkrisen lassen auch die Versicherungskonzerne nicht kalt. Zwar ist der Euro nach Außen eine starke Währung und nach Innen die Preissteigerungsrate vergleichsweise gering. Die Staatsschuldenkrisen von Griechenland, Portugal und anderen Euroländern werden auch die Versicherten in Deutschland noch zu spüren bekommen.

Versicherer sind im Vergleich mit Banken wenig auf den Kapitalmarkt orientiert. Ein Kurssturz an den Börsen lässt deshalb in den Vorstandsetagen von Allianz und Generali keine Warnglocken läuten. Eher tut dies eine Staatsschuldenkrise: Teils aus Unternehmensstrategie, teils aufgrund rechtlicher Vorgaben legen Assekuranzkonzerne das Kapital ihrer Kunden hauptsächlich sicher an. Ganz oben auf der Hitliste stehen dabei wertbeständige Wertpapiere, die sichere Zinszahlungen versprechen. Klassiker sind Bundesschatzbriefe und andere Staatsanleihen, in der Vergangenheit auch gerne von Griechenland, Portugal oder Italien. Bis zum Platzen der Hellas-Blase im April 2010 erschien dies allgemein als grundsolide Strategie.

Verbraucherschützer sorgen sich mittlerweile, dass Versicherer bei weiteren Herabstufungen von Staatspapieren zu Notverkäufen gezwungen sein könnten. »Verlieren Wertpapiere den sogenannten Investment Grate, werden sie zu einer riskanten Kapitalanlage«, erläutert Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Die Finanzaufsicht hat diese aber auf fünf Prozent des Kapitals begrenzt und dieser Topf dürfte bei vielen Versicherern bereits gut gefüllt sein. Die Folge könnten Zwangsverkäufe der in diesem Fall dann nahezu wertlosen Papiere sein und damit hohe Verluste für die Versicherungsgesellschaften bringen.

Dazu wird es aber in absehbarer Zeit nicht kommen, versichert die Finanzaufsicht Bafin. »Um Notverkäufe zu vermeiden, haben wir im Mai vergangenen Jahres und jetzt im Juni entsprechende Verlautbarungen veröffentlicht«, beruhigt eine Sprecherin. Damit solle ein »prozyklisches Verhalten« der Unternehmen verhindern werden. Folglich müssen sich Unternehmen nicht von den heiklen Staatspapieren trennen, selbst wenn diese bei den Ratingagenturen durchfallen. Das Engagement in Papieren der »PIIGS-Staaten« (O-Ton Bafin), gemeint sind Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien, liegt laut Bafin je nach Staat in einer Bandbreite von rund 0,3 bis etwa 3,0 Prozent der gesamten Kapitalanlagen. Die Risikostreuung scheint damit intakt zu sein.

Folgenlos bleibt die Staatsschuldenkrise trotzdem nicht. Die Erträge der wegen der Budapester Badeorgie in Verruf geratenen Ergo-Gruppe fielen im ersten Halbjahr um 1,2 Milliarden Euro niedriger aus als im Vorjahr. »Wesentlicher Grund«, so der Branchendienst »Versicherungsjournal«, sei die Abschreibung griechischer Staatsanleihen auf den niedrigen Marktwert. Abgeschrieben haben auch Branchenprimus Allianz und Generali ihre Problempapiere und sich damit ihre Gewinne verhagelt. Dadurch dürften die Überschussbeteiligungen, die Kunden in der Lebens- und Rentenversicherung gutgeschrieben werden, kleiner ausfallen als erhofft. Und dann bleibt da noch ein Restrisiko: Beim jüngsten Stresstest der Bafin fielen fünf Schaden- und Unfallversicherer sowie vier Pensionskassen durch. Leider wurden wieder keine Namen genannt.


Lexikon

Abschreibungen sind Wertminderungen von Vermögensgegenständen. Besitzt ein Versicherer griechische Staatsanleihen, die er für 100 Millionen Euro gekauft hat, werden sie in der Bilanz normalerweise mit diesem Nennwert notiert. Spitzt sich die Lage zu, kann es rechtlich und/oder kaufmännisch geboten sein, die Wertpapiere auf den Marktwert »abzuschreiben«. Dann stehen vielleicht nur noch 30 Millionen in der Bilanz. Die Differenz wird dann die nächste Gewinnrechnung um 70 Millionen Euro schmälern. hape

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