Breite Flotte, dünne Spitze

Deutsche Ruderer sind bei der WM vorn dabei, haben aber auch Defizite

  • Klaus Weise, Bled
  • Lesedauer: 3 Min.

Für manche deutsche Medienvertreter war die bis Sonntag dauernde Ruder-WM im slowenischen Bled schon am Donnerstag vorbei. Da gewann der bedeutungsschwanger benamte »Deutschland-Achter« sein 30. Rennen und den dritten Titel in Serie. Das Großboot, gern als »Flaggschiff« des deutschen Rudersports tituliert, verdiente sich diese beim Olympia-Debakel 2008 mit Rang acht in Peking verloren gegangene Bezeichnung erst bei dieser WM wieder. Seit der Olympiapleite hat das vom Dortmunder Ralf Holtmeyer betreute Prestigeobjekt kein Rennen mehr verloren.

In der Öffentlichkeit wird der Achter als Synonym für den Rudersport betrachtet und übersehen, dass er nur ein Mosaikstein einer vielfältigen Sportart ist. In Bled stehen 27 Wettbewerbe auf dem Programm – 14 olympisch, acht nichtolympisch und fünf sogenannte »adaptive events« für Behinderte. Von den 14 wiederum interessieren neben dem Achter eventuell noch der Einer (Marcel Hacker) und die Doppelvierer.

Natürlich hat der Achter jeden Respekt verdient. Art und Weise, wie er unter Regie des in Wriezen geborenen Steuermanns Martin Sauer die Weltelite dominiert, ist faszinierend. Gleichwohl stehen dem andere kaum nach. Beispiel: der Doppelvierer der Frauen, in dem mit Britta Oppelt auf Schlag, Tina Manker und Julia Richter drei Berlinerinnen und mit Stephanie Schiller eine Potsdamerin sitzen. Bis auf Oppelt (Hellas Titania) stammen alle aus der ostdeutschen Ruderschule – wobei das nur geografisch gemeint ist, zumal Manker und Richter nun beim Ruderklub am Wannsee zu Hause sind.

Die Bootsklasse war schon zu DDR-Zeiten ein Erfolgsjuwel, sie blieb es dank Größen wie Jana Sorgers, Kathrin Boron, Kerstin Köppen oder Kerstin El-Qualqili (alle Potsdam) auch danach. Olympiasieger waren deutsche Doppelvierer (DDR, BRD) von 1988 bis 2004 fünfmal in Folge, von 1994 bis 2002 wurden alle WM-Titel gewonnen. Doch nach Olympiagold in Athen herrschte bis jetzt international Titel-Ebbe.

Das Rennen in Bled wurde souverän gewonnen, nie stand der Erfolg in Frage. Ein besonderer Sieg war es für die 33-jährige Oppelt, die bei ihrem zehnten Championat endlich den ersten großen Titel gewann. »Irgendwann musste es mal klappen«, meinte sie. Fünfter im WM-Finale wurde China, das von Ex-Bundestrainerin Jutta Lau betreut wird, die in Potsdam eine Reihe der DRV-Top-Skullerinnen unter den Fittichen hatte. »Jetzt genießen wir den Erfolg, dann wird Kurs 2012 genommen, wo wir noch eine Schippe drauflegen müssen«, so Oppelt.

Der Satz hätte von DRV-Cheftrainer Hartmut Buschbacher (53) stammen können, der in Bled seine zweite WM als Coach erlebt. 1989 war er verantwortlich für die DDR-Frauen, dann wechselte er in die USA, kam 2008 in die alte Heimat zurück. Buschbacher muss das Ganze im Blick haben, Achter und Doppelvierer allein reichen nicht aus. In Bled musste er Defizite registrieren, die bis London schwer reparierbar sind. Zwar präsentieren sich die Skuller stark, aber im Riemenbereich sieht es vor allem bei den Frauen trübe aus. Der Achter wurde Letzter – Olympiaverpasst. Genauso erging es dem Zweier ohne, im Vierer droht ähnliches.

Die deutschen Resultate bei drei früheren WM in Bled – 1966, 1979, 1989 – können nicht als Richtschnur dienen. Die Ruderwelt ist viel ausgeglichener geworden. 1966 schaffte die DDR mit drei Titeln (einer BRD/Achter) in sieben Männer-Rennen (Frauen noch nicht im Programm) den Durchbruch zur Weltspitze. 1979 war der manifest – neun Siege in den 14 olympischen Rennen (keiner BRD) unterstrichen den Aufschwung. Ein Jahrzehnt später, 1989, gab es beim DDR-Kehraus sieben Erfolge (BRD/Achter- und zwei Leichtgewichts-Titel). Bis zur Bilanz 2011 am Sonntag ist noch Zeit, aber so viel steht fest: Das ist diesmal nicht erreichbar.

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