Der historische Hintergrund

Die Frontstadt Berlin 1943 bis 1961

  • Wolfgang Wünsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Nachkriegsjahre Berlins waren und sind noch immer beliebtes Sujet der Publizistik, von Krimis und Romanen über Bildbände bis hin zu historiografischen Dokumentationen. Zu letzteren gehöhrt das hier anzuzeigende Buch von Bernd Biedermann und Guntram König. Da das Nachkriegsleben in Berlin nicht ohne den vorangegangenen verbrecherischen Eroberungs- und Vernichtungskrieg der Nazis zu verstehen ist, beginnt der Band 1943.

In den ersten Kapiteln werden die Berlin betreffenden wichtigsten Dokumente der »Großen Drei« – Franklin D. Roosevelt, Winston Churchill und Josef W. Stalin – wiedergegeben: die Teheraner Erklärung vom Dezember 1943, das Protokoll des Abkommens über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin vom September 1944, das Abkommen über das Kontrollverfahren in Deutschland vom November 1944 sowie die Proklamationen Nr. 1 und Nr. 2 des Alliierten Kontrollrats vom August 1945. Erwähnt wird auch die Konferenz von Jalta im Februar 1945. Breiten Raum nimmt die Dreimächtekonferenz von Berlin und das am 2. August 1945 verabschiedete Potsdamer Abkommen ein, das z. T. noch heute gültiges Völkerrecht ist. In all den Dokumenten ist das gemeinsame Ziel der alliierten Siegermächte fixiert, Deutschland zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren und dem deutschen Volk zu helfen, einen einheitlichen, demokratischen, friedliebenden Staat zu bilden. Mit der Bildung von vier Besatzungszonen und vier Sektoren in Berlin entstanden Strukturen, die nach Ausbruch des Kalten Krieges zur Spaltung des Landes und der Stadt genutzt wurden.

»Viele junge Leute und auch manche von den Älteren wissen nicht mehr, warum es zur Teilung Deutschlands und seiner ehemaligen Hauptstadt kam, und wie sich die Dinge danach entwickelt haben«, konstatieren die Autoren im Vorwort. Deshalb präsentieren sie vor allem grundlegende Fakten sowie authentische Zeugnisse und Fotografien, die zum Teil bisher nicht veröffentlicht oder aus dem öffentlichen Bewusstsein getilgt worden sind. Es geht ihnen um eine realistische Betrachtung der jüngeren deutschen Geschichte, frei von fantasievollen ideologischen Legenden und einseitiger Schuldzuweisung. Da werden auch die gern verschwiegenen »Frankfurter Direktiven« zitiert, die am 1. Juli 1948 von den Militärgouverneuren der USA, Großbritanniens und Frankreichs den elf Ministerpräsidenten der Länder der Westzonen übergeben wurden. Sie orientierten auf den Aufbau eines westdeutschen Separatstaates. Biedermann/König schildern, wie es zur separaten Währungsreform, zur Blockade Westberlins und zur Luftbrücke 1948/49 kam. Sie diskutieren die Stalin-Note von 1952, die Ereignisse um den 17. Juni 1953 und welche Möglichkeiten es 1961 gab, die weitere Ausblutung der DDR zu stoppen.

Das Buch vermittelt nicht nur solide Geschichtskenntnisse, sondern erörtert auch Alternativen, die es zu jeder Zeit gegeben hat. Es richtet sich an historisch-politisch interessierte Leser und empfiehlt sich in seiner Verständlichkeit und Anschaulichkeit auch für den Schulunterricht.

Guntram König/Bernd Biedermann: Frontstadt Berlin – Vom Potsdamer Abkommen bis zum Mauerbau. Dokumente, Fakten, Zeugnisse und Bilder. Helios Verlag, Aachen. 179 S., geb., 19,90 €.

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