Polens rechter Rand »gefährlich breit«
Extreme Nationalisten bereiten Sorgen
Das von dem »ganz normalen, sympathischen« Anders Behring Breivik in Oslo und auf der Insel Utøya angerichtete Blutbad ließ auch an der Weichsel den öffentlichen Disput zum Thema Fanatismus verstärkt aufflammen.
»Kann es sein, dass der wild gewordene Norweger irgendwann einen Nachfolger aus den Reihen unserer extremen Nationalisten findet?«, fragte die linke Wochenzeitschrift »Przeglad« nach dem Massenmord in Oslo und Utøya. Und sie ließ die Frage im Raum stehen.
Zu besagten Reihen werden in Polen das National-Radikale Lager (ONR) mit etwa 2000 eingeschriebenen Aktivisten, die Allpolnische Jugend (MW) mit über 1000 Aktiven und die Nationale Erneuerung Polens (NOP) mit etwa 500 Mitgliedern gezählt. Womit das Reservoir der hiesigen Neofaschisten allerdings keineswegs ausgeschöpft ist. Dazu gehören ebenso tausende Teilnehmer »patriotischer« Internetplattformen und -gemeinden wie etwa der »Bruderschaft Blut und Ehre«. Die Auflagen rechtsradikaler Wochen- und Monatsschriften vom Typ »Szczerbiec« (Das Schwert), »Szaniec« (Der Wall), »Mlodziez imperium« (Jugend des Imperiums), »Arcana« und anderer sind in die Zigtausend gestiegen. Das alles lässt den Schluss zu, dass – wie die angesehene »Polityka« ihren einschlägigen Text überschrieb – »der Rand gefährlich breit« geworden ist.
Rafal Pankowski, Autor etlicher Publikationen zum Thema Neofaschismus in Europa und Koordinator eines Forschungsprojekts über den Rassismus, verwies in einem Interview unter anderem auf eine Aussage des Krakower Abgeordneten Jaroslaw Gowin von der regierenden Bürgerplattform (PO), der mit vielen Thesen des Breivik-Manifestes durchaus übereinstimme: Auch der gute Katholik, sagte Pankowski, finde die »politische Korrektheit« verwerflich, beklage den Ansturm »barbarischer« Islamisten, die das »Abendland zerstörende Multikultur« und den Niedergang »wahrer christlicher Werte«. Und der in allen Salons verkehrende ultra-konservative Janusz Korwin-Mikke, der seit 1995 bei jeder Präsidentenwahl kandidierte, schrieb dieser Tage: »Das waren die ersten Schüsse zur Selbstverteidigung.«
»Przeglad« schilderte die Aktivitäten der Nationalisten in der Musikszene, im Verlagswesen und im Buchhandel, im Umfeld von Fußballvereinen und nicht zuletzt bei Straßendemonstrationen, in Lagern zur »sportlichen Ertüchtigung« und »kulturellen Schulungen«. Alles laufe unter dem Motto: »Die Welt muss verändert werden« und »Die Regierung ist Feind der patriotischen Polen.«
Die antiklerikale Wochenzeitung »Fakty« zitierte unter dem Titel »Das Streicheln des Igels« einige Aussagen von Neofaschisten aus dem Internet: Polen sei für den Nationalsozialismus, Hauptanliegen sei der Kampf für den Sieg der Arischen Kultur, die weiße Rasse müsse sich ihre Zukunft sichern...
Rhetorisch fragte »Fakty«, wie sich dazu wohl die Gutmenschen in Schwarz verhielten. Man höre gar nicht, was die Hochwürden zu dieser Art »Vereidigung wahrer Werte« offiziell meinen.
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