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»Atom-Anne« ist zurück

Der französische Konzern Areva sieht keine Gefahr für sein Geschäft durch die Katastrophe in Japan

  • Felix Werdermann
  • Lesedauer: 4 Min.
Eigentlich kann einem Atomkonzern nichts schlimmeres passieren als ein Tschernobyl oder ein Fukushima: Die Börsenkurse des französischen Konzerns Areva sanken in den letzten Wochen, Aufträge wurden abgesagt und Stimmung gegen die Atomlobby gemacht. Doch von Depression keine Spur: Der Konzern hält schon wieder Ausschau nach neuen Geschäftspartnern und die Areva-Chefin wird als Retterin gefeiert.

Seit der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima laufen die Geschäfte des französischen Atomkonzerns Areva schlecht: Wichtige Partner in China, Südafrika, Indien und Deutschland sind ins Zweifeln gekommen, haben Moratorien verhängt und Neubauten in Frage gestellt. Sogar die französische Behörde für nukleare Sicherheit (Autorité de sûreté nucléaire), denkt seit letzter Woche darüber nach, den Bau des französischen Druckwasserreaktores EPR auszusetzen.

Doch trotz aller Unkenrufe sieht die Atomwirtschaft auch nach der Katastrophe in Fukushima großes Potential für neue Reaktoren. Nach einer internen Einschätzung Arevas gebe es außerhalb Japans keinen Grund, die atomaren Ausbaupläne zu stoppen. Neubauten könnten sich jedoch verzögern, weil eventuelle neue Sicherheitsstandards vorgeschrieben würden. Das französische Netzwerk »Atomausstieg« hatte ein entsprechendes Firmenpapier im Internet veröffentlicht. Es handelt sich um eine vorläufige Einschätzung der Auswirkungen von Fukushima auf die Atomindustrie vom 25. März, also zwei Wochen nach dem Unfall.

In Arevas Analyse heißt es, die meisten Länder mit Atomkraftwerken hätten »rational« reagiert. Sie blieben bei der Einschätzung, dass Atomenergie notwendig sei, würden nicht auf der »Welle der Emotionen« surfen und wollten aus der »Japan-Krise« lernen. Die meisten Länder hätten Sicherheitsüberprüfungen der bestehenden Anlagen geplant. »Nur Deutschland hat direkt strengere Maßnahmen angekündigt.«

Auch für die Chefin des Atom-Konzerns Areva, Anne Lauvergeon, kommt der Gau genau richtig. Im Juni läuft ihre Amtszeit an der Spitze des Unternehmens aus und sollte eigentlich nicht mehr verlängert werden. Das könnte sich durch Fukushima nun ändern. Als Atomexpertin arbeitet Lauvergeon mit dem japanischen Betreiber Tepco zusammen, um an den beschädigten Meilern zu retten, was noch zu retten ist. In diesen schweren Zeiten brauche es eine Expertin an der Spitze des Konzerns, die Erfahrung in allen Bereichen der Kernkraft mitbringe, heißt es wohlwollend vom französischen Staat, der Haupteigner von Areva ist. So wird die Areva-Chefin nun zum Aushängeschild für die französische Regierung. Dabei könnte es Anne Lauvergeon gelingen, durch die Japan-Krise ihren eigenen Posten zu sichern und das Image von Areva sogar noch aufzubessern.

Aufgrund von Rivalitäten und einigen gravierenden Niederlagen des Konzerns wurde in den letzten zwei Jahren eifrig am Chefsessel der 51-Jährigen gesägt. Als ihr größter Rivale gilt der Chef des französischen Stromkonzerns EDF, Henri Proglio. Dieser kritisierte die Areva-Chefin aufgrund ihrer Unternehmenspolitik heftig und es gelang ihm, auch Staatspräsident Nicolas Sarkozy auf seine Seite zu ziehen. Der EDF-Chef forderte seit langem, dass Areva zerschlagen wird, damit er die Führung wichtiger Unternehmensbereiche übernehmen kann.

Ursache der schlechten Bilanz der Areva-Chefin war unter anderem der schleppende Bau der EPR-Reaktoren (Druckwasserreaktoren) der dritten Generation. Aufgrund der EPR-Baustelle in Nordfrankreich klafft ein ständiges Finanzloch im Konzern, so dass der französische Staat mit hunderten Millionen Euro nachhelfen muss. Ebenso wie der EPR-Reaktor in Finnland verzögert sich der Bau und verschlingt jährlich mehr Steuergelder.

Endgültig verscherzt hatte es sich die Areva-Chefin dann mit dem Präsidenten nach einer Ausschreibungspleite: 2008 verlor Frankreich einen Milliardenauftrag zum Bau von vier Atomkraftwerken in Abu Dhabi an ein südkoreanisches Konsortium.

Letzten Sommer hatte Präsident Sarkozy dann einen vorläufigen Schlussstrich unter die Streitereien der beiden Unternehmensbosse Proglio und Lauvergeon gezogen: Auf Rat des ehemaligen EDF-Chefs François Roussely sollte Areva die Verantwortlichkeit für Auslandsaufträge entzogen und EDF Haupteigner des Areva-Konzerns werden. Das könnte nun obsolet werden.

Das französische Netzwerk »Atomausstieg« wirft dem Konzern vor, offiziell den Helfer bei der Eindämmung der Atom-Katastrophe in Japan zu spielen – intern jedoch bereits zu analysieren, wie sich die zukünftigen Geschäfte entwickeln könnten. Die französischen Atomkraftgegner sprechen deshalb von »Zynismus«. Mit ihren Mahnungen stehen die Atomkraftgegner in Frankreich aber auch nach der Katastrophe eher allein. Selbst die französischen Sozialisten wollen sich nicht offen zu einem Atomausstieg bekennen. Gegen den Konzern Areva wird selten ein kritischen Wort laut, denn schließlich ist dieser Staatseigentum.

Areva

Das 2001 entstandene Unternehmen Areva ist das weltweit größte seiner Art. Es bedient die gesamte Wertschöpfungskette der zivilen Atomenergie: vom Uranabbau in Afrika bis hin zur Wiederaufarbeitung der Brennstäbe im französischen La Hague und den kompletten Bau von Atomkraftwerken, einschließlich der Planung neuer Kraftwerkstypen, die sogenannte dritte Generation.

Areva hat einen Umsatz von über 11 Milliarden Euro und rund 75 000 Beschäftigte.

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