Wintergarten

Mowgli im Musical

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Gelesen hat es wohl fast jeder, Kiplings 1894/95 erschienenes »Dschungelbuch«. Der Erzählband, dem bald eine Fortsetzung als »Das neue Dschungelbuch« folgte, wurde durch die Geschichten um Mowgli ein Welterfolg: ein Findelkind, das von einem Wolfsrudel im indischen Dschungel aufgezogen wird, die Sprache der Tiere erlernt, Freunde findet, doch eines Tages, wie es Wolfsbrauch ist, das Rudel verlassen und eigene Wege gehen muss, in seinem Fall eben zu den Menschen. Als ihm dort Hexenkünste angedichtet werden, kehrt er in den Urwald zurück. Kein Wunder, dass sich der Film bald für den abenteuerlichen Stoff interessierte: 1942 mit dem indischen Kinderstar Sabu, 1994 mit Jason Scott Lee. Dazwischen liegen mehrere Zeichentrickversionen und ein Ballett für die ganze Familie. Und jenes Musical, das Christian Berg, inzwischen auch vielfacher Kinderbuchautor, nach den beiden ersten Erzählungen schuf und für das Allrounder Konstantin Wecker die Musik komponierte. Seit der Uraufführung 2002 erlebte es über 1500 Vorstellungen und zog mehr als eine Million Zuschauer an. Die Neuinszenierung von 2010 macht nun Station im Wintergarten.

Tierschreie gellen bereits vor dem Spiel durch den Saal. Hallo, ruft es aus einer Höhle im grün nebligen Wald, und heraus kommt Christian Berg als künftiger Erzähler. Wo die Geschichte denn handelt, müssen die Saalkinder erraten, werden auch im Weiteren rege einbezogen. Damit der Erzähler keine eigene Fassung geben kann, trägt der Panther Baghira das Originalbuch in Großformat herein.

Der Tiger ist im Dschungel los, singen sie: Denn der, Shir Khan, verlangt nach Mowgli als fetter Beute, will sonst den Wölfen das Leben schwer machen. Dem Leitwolf bleibt nur, Mowgli die Rückkehr zu den Menschen aufzuerlegen. Doch der müde und trotzige Junge mag nicht den Wald verlassen und fühlt sich zugleich zum Bum-Bum der Menschentrommeln hingezogen. Kinder müssen erklären, was eine Menschensiedlung und die »rote Blume« sind. Mowgli tobt mit den Elefanten, spielt Stein und wird als solcher vom Bären Balou zum Ausruhen genutzt. Noch ehe der Bär den Begriff »Krieg« richtig erläutern kann, wird Mowgli von einem Affen entführt, die Geier bieten Suchhilfe an, der Saal geht in die Pause.

Nach Macht gelüstet es den Affen, deshalb will er von Mowgli die Menschensprache lernen. Mit einem Zisch-Rap schmeichelt sich der Silberpython Kaa an Mowgli heran, schläfert ihn ein. Tiger Shir Khan weckt ihn unsanft, doch Mowgli stellt sich und gewinnt. Ein Menschenmädchen nimmt Mowgli schließlich zu ihrer Familie, Abschied gilt es von den Freunden im Wald zu nehmen.

Nur fünf Darsteller und eine fixe Urwald-Dekoration tragen die Geschichte, der Autor Berg Witz und Ironie eingeflochten hat. Weckers Musik sucht die Nähe zu jugendlichen Hörgewohnheiten und wartet im Mitsingtitel »Keine Feier ohne Geier« für die Goldschnäbel Ete und Petete mit einem Ohrwurm auf. Bezaubernd natürlich agiert als Mowgli Musicalstudentin Raphaela Steiner, ganze 1,54 Meter groß, neben dem hünenhaften Dirk Hinzberg als wunderbar tapsigem Bär mit Herz.

Bis 26.3., Wintergarten, Potsdamer Str. 96, Charlottenburg, Kartentelefon 58 84 33

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