Freie Volksbühne

Die Mahnerin

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Rote Nelken zierten die Tische im Foyer der Freien Volksbühne Berlin. Der Internationale Frauentag bot dem traditionsreichen Verein Gelegenheit, mit Clara Zetkin die Initiatorin jenes weltweiten Festtags zu ehren. Für diesen Fall und viele andere hat er sich eine eigene Reihe geschaffen: »Montagskultur« offeriert Musik, Theater, Lesung, Diskussion, Vortrag.

Damit beruft sich der Verein auf seine Geschichte. Die beginnt 1890 mit der Gründung, um Arbeitern den Zugang zur Kunst zu ermöglichen. In der 1914 eingeweihten Volksbühne am heutigen Rosa-Luxemburg-Platz unter Intendant Max Reinhardt inszeniert Erwin Piscator; Thomas Mann, Tucholsky gehören dem Verein an. Nach 1945 existieren zwei Vereine, der in West eröffnet 1963 die Freie Volksbühne, in der Piscator arbeitet, dann Hans Neuenfels inszeniert. Ab 1999 erzwingt ausbleibender Senatszuschuss Schließung und Verkauf. Heute beschränkt sich der Verein mit Sitz in Wilmersdorf auf Kulturvermittlung. Die »Montagskultur« knüpft seit 2008 in bescheidenerem Rahmen an frühe Eigenproduktionen an.

Am Frauentag gehörte das Podium drei Frauen: Angelika Warning als Schauspielerin, Silke Lange am Akkordeon, vor allem aber Clara Zetkin. Schlicht die Ausstattung: An einer Leiter kleben Karteikarten mit Zitaten. Themen, zu denen die Arbeiterführerin gesprochen hat, Werturteile anderer auch über sie. Radikal hebt der Abend mit Claire Waldoffs Forderung »Raus mit den Männern aus dem Reichstag« von 1919 an. In diesem Jahr trat Zetkin der KPD bei, starben Rosa Luxemburg, ihre enge Weggefährtin, und Karl Liebknecht. Im Jahr darauf zog Zetkin als Abgeordnete ihrer Partei in den Reichstag der Weimarer Republik ein, wo sie bis 1933 blieb. Den Frauentag hatte die Enkelin eines Kämpfers der Französischen Revolution 1910, auf der 2. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen, erstritten; erstmals begangen wurde er 1911.

Über vieles erfuhr man in Warnings kurzweiligem, politisch nicht plakativem Einstunden-Programm: Zetkins Kampf für das Frauenwahlrecht, gegen ein »Damenwahlrecht«; die katastrophal niedrige Entlohnung von Frauen als »Schmutzkonkurrentinnen« der Männer. Frauenbefreiung als Teil der Weltrevolution schwebte Zetkin vor, Erziehung der Kinder als gemeinsames Elternwerk, 1914 der Massenprotest für Frieden: Beides stellte sich nicht ein.

Dass Warning die hehren Gedanken immer wieder mit Liedern und Couplets konfrontierte, brachte Zeitgeist ein. So etwa bei »Kinder, Kinder, sorgt für Kinder« als »Zeugungsmarsch«, dem bitteren Antikriegssong, oder bei Kreislers zynischer Abrechnung mit dem übervollen Tag einer »Dame«. Tucholskys Song von der SPD als Radieschen, außen rot, innen weiß, folgte auf Zetkins Feststellung vom Komplettversagen dieser Partei.

Als Kämpferin mit scharfem Verstand und voller Energie beurteilten andere Clara, für die nach dem Mord an Luxemburg und Liebknecht die Zeit stillzustehen schien, die 1932 im Parlament als Alterspräsidentin die Einheit aller »Befreiungssüchtigen« gegen den Faschismus beschwor, in die Sowjetunion emigrierte, dort 1933 starb. Das Grauen des Krieges bestätigte ihre Mahnungen.

21.3., »Lieber einen Mann als gar keinen Ärger«, Comedy-Chanson-Programm mit Margot Rothweiler, Freie Volksbühne, Ruhrstr. 6, Wilmersdorf, Tel.: 86 00 93 51, Infos unter www.lustaufkultur.de

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