Kerosin – direkt aus der Erde
In Parchim sind am früheren sowjetischen Flugplatz noch immer große Flächen verseucht
Parchim. Ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Geologe Detlef Uebersohn begutachtet die buttergelbe Soße im Weckglas. Ölig schwappt sie als dicker Spiegel reinen Flugzeugbenzins auf einer milchig-weißen Grundwasserprobe. So ähnlich sehe es hier unter der Erde in vier bis sechs Metern Tiefe aus, nur eben in größerem Maßstab, sagt der Experte, der in Parchim eines der umfangreichsten ostdeutschen Sanierungsprojekte militärischer Altlasten überwacht. Auf zwei Feldern am Rande des früher sowjetischen Militärflugplatzes waren über vier Jahrzehnte lang bis 1990 gut eine Million Liter Kerosin versickert. 15 Hektar sind verseucht. Seit zwölf Jahren laufen die Förderpumpen.
»Es läuft und läuft«
Doch bislang konnte erst ein kleiner Kerosinsee auf dem sechs Hektar großen Flugvorfeld bis auf einige inselförmige Reste beseitigt werden, wie Gutachter Uebersohn sagt. Von 1999 bis 2009 wurden hier rund 170 000 Liter Kraftstoff aus dem Boden gepumpt und das Grundwasser aufbereitet. Den Rest des Großputzes sollen nun Bakterien übernehmen. Stärker betroffen sei das neun Hektar große Sondergebiet. Es liegt direkt am Airport, der seit vier Jahren – mit Ausnahme der verschmutzten Flächen – einem chinesischen Investor gehört.
Am Rande der Landepiste treiben noch drei unterirdische Kerosinfelder von bis zu einem Meter Mächtigkeit im Boden. Rund 240 000 Liter Kraftstoff wurden hier seit 2003 hochgepumpt und zum Teil für den Antrieb der Kerosinpumpen vor Ort verstromt. »Es läuft und läuft«, beobachtet Uwe Peters von der Sanierungsfirma IMA Umwelttechnik GmbH & Co. KG (Neu-Isenburg/Hessen). Aus 21 Zentral- und 134 kleineren Satelliten-Brunnen würden pro Monat bis zu 2000 Liter reines Kerosin gefördert. »Das kann noch Jahre dauern«, so Uebersohn. »Trotzdem bekommen wir nicht alles raus, bis zu 30 Prozent Restsättigung im Sediment werden lange erhalten bleiben.«
Die sowjetischen Streitkräfte betrieben in der mecklenburgischen Kleinstadt einen ihrer größten Luftstützpunkte in Deutschland mit einer drei Kilometer langen Start- und Landebahn. Meist durch Schlamperei lief Kerosin aus defekten Tanks und undichten Benzinleitungen, aus Werkstätten und Waschanlagen in steten Rinnsalen ins Erdreich, wie der Gutachter erklärt. Eigentlich sei der Kraftstoff für die sowjetischen Düsenjäger und Großhubschrauber am Standort bestimmt gewesen. Da das Kerosin, ein Mitteldestillat vom Erdöl, mit dem Grundwasser in Richtung des Flüsschens Elde driftet, musste nach dem Abzug der Russen 1992 rasch gehandelt werden, so Uebersohn.
Im Auftrag des Bundes wurde geforscht und nach effektiven Reinigungsverfahren gesucht, bis 1999 endlich die ersten Pumpen anliefen. Bislang kostete die Säuberungsaktion im Parchimer Untergrund rund sechs Millionen Euro, 90 Prozent zahlte der Bund, zehn Prozent der Landkreis als Eigner der Flächen. Doch nicht nur in Parchim mussten nach dem Abzug der Militärs Benzin-Sümpfe trocken gelegt werden. Schätzungen gingen von Tausenden belasteten Arealen in den neuen Bundesländern aus, am schlimmsten verseucht waren Flugplätze und Tanklager. Im mecklenburgischen Lärz am Müritz-Havel-Kanal wurde nach massiven Bürgerprotesten bereits Anfang der 90er Jahre Kerosin – bis auf vier Hektar Restflächen – abgepumpt.
Die US-Airforce auch
Schwerpunkte waren auch die brandenburgischen Flughäfen Brand – späterer Standort des gescheiterten Luftschiffbauers Cargolifter –, Eberswalde-Finow, Niedergörsdorf und Werneuchen mit mehr als zweieinhalb Millionen Litern geförderten Kerosins. Bekannt wurde zudem ein Fall im Westen: Die frühere US-Luftwaffenbasis auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen, wo Anfang der 90er eine halbe Million Liter versickerter Kraftstoff aus dem Erdreich geholt wurden.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.