Deutlich mehr als ein Arbeitsessen
Bei allen Differenzen bemühen sich die USA und China bei der Hu-Visite um Harmonie
»Festlich« und »angemessen« nannten die Obama-nahen Medien das Staatsdinner am Mittwochabend im Weißen Haus, »pompös« die China weniger freundlich gesonnenen Kommentatoren. Das dritte höchstrangige Bankett seit Amtsantritt des Präsidenten war zugleich das erste, das der Pekinger Führungsspitze in diesem Jahrtausend zuteil wurde.
In ihren Tischreden betonten Hu Jintao und Barack Obama ihr Ziel, die Beziehungen beider Länder auszubauen. Hu sprach von einer »Partnerschaft auf der Basis von gegenseitigem Respekt«, sein Gastgeber nannte China eine »große Nation«. Hu selbst hatte vor drei Jahren bei Vorgänger Bush noch mit einem Arbeitsmittagessen vorliebnehmen müssen. Gestern waren dann Gespräche der chinesischen Delegation mit Kongressmitgliedern sowie die Weiterreise nach Chicago geplant.
Die einzigen konkreten Ergebnisse der Visite waren schon vor dem Hu-Besuch erzielt worden. 70 Abkommen mit USA-Firmen mit einem Volumen von rund 45 Milliarden Dollar (33,6 Milliarden Euro) wurden nach Angaben des Weißen Hauses unterzeichnet. So wird China für 19 Milliarden Dollar (14,2 Milliarden Euro) 200 Boeing-Flugzeuge kaufen. Insgesamt gehe es dabei um 200 000 Arbeitsplätze in den USA, betonte man im Weißen Haus mit Blick auf den krisengeschüttelten Arbeitsmarkt.
Überraschend hatte Hu auf einer Pressekonferenz mit Obama eingeräumt, dass China bei den Menschenrechten noch »eine Menge« tun müsse. Eine Reihe von bilateralen Problemen und Forderungen wurde an- und ausgesprochen, etwa die Klage Washingtons, dass der Yuan zum Nachteil des USA-Handels unterbewertet sei. In der Abschlusserklärung hieß es dazu, China werde an einer »größeren Flexibilität beim Wechselkurs« arbeiten. Zudem wird festgehalten, dass es in der Menschenrechtsfrage »weiterhin bedeutende Differenzen« gebe. Peking legte Wert auf die Formulierung, dass es »keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des jeweils anderen Landes« geben dürfe.
Die Republikaner kritisierten Obama, die chinesische Führung trotz ihrer Menschenrechtsverletzungen zu hofieren. Die Führung der Rechten im Kongress lehnte eine Teilnahme am Staatsbankett deshalb ab. Doch auch der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, bezeichnete Hu zunächst als Diktator – bevor er sich davon wieder distanzierte. Passend zum Staatsbesuch hatten Mitglieder des Abgeordnetenhauses Anhörungen zur Menschenrechtslage in China angesetzt. Dabei wurde Hu mit einem alten chinesischen Kaiser verglichen und China ein »Gulag-Staat« genannt.
Auch in der US-amerikanischen Bevölkerung wird die weltweit zweitgrößte Wirtschaftsmacht mit Skepsis betrachtet. 61 Prozent sehen China laut »Washington Post« als wirtschaftliche Bedrohung. Eine Erhebung des »Wall Street Journal« ergab, dass 38 Prozent China in 20 Jahren als Weltsupermacht sehen. Nur ein Drittel der Bevölkerung glaubt, die USA würden ihre Spitzenposition halten können.
Vom wirtschaftlichen Wachstum abgesehen ist China gegenüber den Vereinigten Staaten allerdings militärisch und was seine imperialen Absichten angeht weiter ein Zwerg. So fordert der China-Experte Henry Rosemont von der Brown University von den USA mit ihrem Militärhaushalt – größer als die Ausgaben der restlichen Welt zusammengenommen – »als ersten Schritt und vertrauensbildende Maßnahme« die Reduzierung des Rüstungsbudgets sowie die Stärkung der Vereinten Nationen.
Der Abrüstungsexperte Joseph Gerson vom »American Friends Service Committee« wies darauf hin, dass der Pentagon-Etat noch immer das Zehnfache des chinesischen Verteidigungshaushalts beträgt und Washington eine »Containment«-Politik betreibe. Die USA seien darauf aus, ihre schwindende Wirtschaftskraft mit einer »Umzingelung« Chinas zu kompensieren – mit Hilfe von Militärallianzen von Ostasien bis zur NATO.
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