Als die Dampfstraßenbahn übern Kudamm fuhr

Schlichtes »K« im goldenen Kreis – Boulevard in der City West feiert 125. Geburtstag

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Ältere Lehrer führen ihre westdeutschen Schulklassen immer noch gerne Kudamm und Tauentzien entlang. Es sind wohl Legenden wie der Bahnhof Zoo, Christiane F., Playboy Rolf Eden oder der 1980 von Annette Humpe besungene ehemalige Club-Dschungel einer sehr fern, inzwischen unwirklich erscheinenden Welt, die sie dazu treiben. Der Glamour der Jetztzeit sind Hard Rock Café, Barbourjacken-Flagshipstore oder Niketown, teils gehobener Fußgängerzonenstandard der westlichen Welt also. Das interessiert die Schüler noch am ehesten, aber das coole Berlin liegt für die jüngere Generation weiter östlich.

Etwas krampfhaft und von Rückschlägen gezeichnet, versucht man sich seit geraumer Zeit an der Aufwertung des Boulevards in der City West. Da kommt das 125-jährige Jubiläum im kommenden Jahr ganz recht. Das Eröffnungsdatum der Dampfstraßenbahn nach Halensee am 5. Mai 1886 sehen die Organisatoren – Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, die AG City West und die Kulturprojekte Berlin – dabei als Geburtsstunde des modernen Boulevards.

Die Zusage von fast einer Million Euro an Lottomitteln zur Finanzierung der Feierlichkeiten sieht der bezirkliche Wirtschaftsstadtrat Marc Schulte (SPD) als »Weihnachtsgeschenk«. Denn selber konnte der Bezirk wegen einer Haushaltssperre finanziell nichts beitragen. Und so muss er – wie so oft – auf Beiträge der ansässigen Geschäftswelt zählen.

Der Startschuss fällt Neujahr. Im Berliner U-Bahn-Fernsehen und auch auf der Multimediawand am Kudamm-Eck wird mit einem Countdown bis zum 5. Mai – praktischerweise der 125. Tag im Jahr – heruntergezählt. »An diesem Tag wird die Schaustelle reaktiviert«, sagt Moritz van Dülmen von den Kulturprojekten. Eine Infobox am Breitscheidplatz soll über Projekte rund um den Boulevard informieren. »Sie dürfen sich darunter keine Humboldt-Box vorstellen, dafür reicht der Platz nicht«, sagt Schulte. Von der Dimension her wird sie wohl eher mit einem Baucontainer vergleichbar sein, jedoch »auf jeden Fall hübscher«.

Weiter konkret geplant sind unter anderem ein Oldtimer-Korso im letzten Maiwochenende, da auch Autos auf eine 125-jährige Geschichte zurückblicken. Rund 1000 Fahrzeuge sind bereits dafür angemeldet. »42 Stunden Kudamm« heißt es dann am ersten Wochenende im September. Vielfältige Kulturaktionen, Sonderöffnungszeiten der Geschäfte und eine Sperrung für den Autoverkehr sollen den Straßenzug auf voller Länge erlebbar werden lassen. »Wir führen da viele Gespräche mit Anrainern«, sagt Schulte. Seien es ein vom nahe gelegenen Zoo organisierter Streichelzoo, kleine Theateraufführungen vor der Schaubühne oder ein französischer Bereich vor dem Maison de France. Angedacht ist vieles, in Sack und Tüten praktisch noch nichts.

Eine Ausnahme bildet die Aktion »Der Kurfürstendamm. 125 Jahre – 125 Geschichten«, bei der im Sommer die Geschichte der Straße in kleinen Episoden mit Ortsbezug in den typischen Vitrinen dargestellt werden soll. Zentraler Punkt wird eine temporäre Caféterrasse an der Kreuzung Uhlandstraße sein. »Das soll auch eine Hommage an die Caféhauskultur der Gegend sein«, sagt Kurator Christian Pabst. Den Schlusspunkt der Jubiläumsfeierlichkeiten bildet das Festival of Lights Ende Oktober.

Rechtzeitig ist auch das von der Werbeagentur starcompany gestiftete neue Logo fertig geworden: Ein schlichtes »K« im goldenen Kreis. »Man kann darin durchaus auch eine Straßenkreuzung erkennen«, erläutert Geschäftsführer Alexander Vogel.

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