Erfolgreiches Casting
Deutsche Fußballerinnen stellen ihre Trainerin vor eine schwierige Auswahl für den WM-Kader
In den Monaten vor der Heim-WM der Fußballerinnen hat Bundestrainerin Silvia Neid die Qual der Wahl, ähnlich wie Jürgen Klinsmann vor dem Männerturnier 2006. Der Unterschied besteht nur in der Art der Qual. Hatte Klinsmann in einer desaströsen Vorsaison ohne Qualifikationsdruck kaum Spieler, die auch nur ansatzweise auf Weltniveau spielten, kann sich Neid davor nicht retten. Ein Testspielsieg jagt den nächsten, egal wen sie in ihrem Langzeit-Casting einsetzt. Am Donnerstagabend wurde der Asienmeister Australien in Wolfsburg überzeugend 2:1 (1:1) geschlagen.
Erkenntnisgewinne darüber, wer nun im Juni dabei sein wird, hat Neid nicht erhalten. Zu viele junge Spielerinnen rücken den Arrivierten auf den Pelz, und die wissen sich zu wehren. »Jede, die heute dabei war, hat ein gutes Spiel gezeigt. Die Einstellung hat gestimmt. Da ist die Auswahl schwer«, sagte die Bundestrainerin. »Die Trainingseinheiten haben mir sogar noch besser gefallen. Alle wollen dabei sein.«
Eine dieser jungen Aufmüpfigen ist Lena Goeßling. Fast unbemerkt hat sie mittlerweile 18 Länderspiele gesammelt, in Wolfsburg war sie die sicherste Innenverteidigerin. »Meine Leistung muss trotzdem noch konstanter werden, wenn ich meinen Traum erfüllen will, 2011 dabei zu sein«, zeigte sich die 24-Jährige aus Bad Neuenahr trotzdem nicht zufrieden. Ihre Chancen stünden zwar nicht schlecht, glaubt sie, aber »natürlich wäre es schön, wenn man in der Startelf steht«, fordert sie schon die verletzten Annike Krahn und Bianca Schmidt heraus.
Solche Geschichten lassen sich in der Nationalmannschaft derzeit so einige erzählen. Silvia Neid kam wieder nicht umhin, die Debütantinnen zu loben. Diesmal belebten Dzsenifer Marozsan und Verena Faißt nach ihren Einwechslungen das Spiel der deutschen Elf.
Doch will ihnen auch niemand weichen. So schoss Edeljoker Martina Müller (Foto: dpa) mal eben das Siegtor. Das wirkt – auch ohne Aussicht auf einen Stammplatz hinter den gesetzt scheinenden Inka Grings, die zum 1:1 traf, und Birgit Prinz. »Ich würde gern von Anfang an spielen, aber die Rolle kenne ich nun, und Tore helfen immer«, so die Wolfsburgerin. Nächster Castingtermin ist der 25. November. Dann geht es in Leverkusen gegen Nigeria.
An einem muss der DFB aber doch noch arbeiten. Der WM-Funke mag bei den Akteuren entfacht sein, auf die Massen ist er noch nicht übergesprungen. Waren in Dresden vor einem Monat noch über 20 000 im Stadion, kamen nur gut 7000 in die niedersächsische WM-Arena. Die Auswahl Wolfsburgs, dessen Kern noch immer zu einem großen Teil aus dem VW-Werksgelände besteht, als WM-Spielort war wohl nicht die glücklichste, sicher aber eine der lukrativsten. Silvia Neid nahm's mit Humor: »Vielleicht hat der Termin nicht in den Wechsel von Tag- und Nachtschicht gepasst.«
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