Fachwelt kritisiert Strafrechtsreform

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die Neuregelung zur Sicherungsverwahrung auf den Weg gebracht

Die als Neuordnung der Sicherungsverwahrung geplanten Änderungen der Bundesregierung lösen kaum eines der bestehenden Probleme.

Bei kaum einem anderen Thema ist der öffentliche Druck, Härte zu zeigen, so groß, wie beim Umgang mit Schwerverbrechern. Niemand wird gern als »Täterschützer« verschrien und so scheuen selbst jene, die wie Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für eine Entschärfung der Sicherungsverwahrung (SV) plädieren, oftmals klare Worte. Und so erklärt sich auch, dass selbst nach monatelangen Debatten weithin Unkenntnis herrscht über die bisherige Praxis und geplante Änderungen.

Am Mittwoch hat das Kabinett nun eine Reform der Sicherungsverwahrung beschlossen, die aus Sicht der Justizministerin den angemessenen Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern ermögliche und zugleich die rechtsstaatlichen Anforderungen an dieses »letzte Mittel der Kriminalpolitik« wahre. Der Gesetzentwurf umfasst Regelungen für die rund 80 Sicherungsverwahrten, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) freikamen oder noch entlassen werden müssten, sowie allgemeine Vorgaben für eine Maßnahme, die auch als »deutsche Form der Todesstrafe« bezeichnet wird. Denn die Betroffenen haben ihre Haftstrafe verbüßt, bleiben aber dennoch zeitlich unbegrenzt eingesperrt.

Zum ersten will die Regierung für die »EGMR-Gruppe« Sonder-Anstalten schaffen, in denen psychisch gestörte Gewalttäter weggeschlossen und therapiert werden sollen. Für alle künftigen Fälle soll die Sicherungsverwahrung auf schwere Sexualdelikte und Gewalttaten beschränkt werden. Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung wird zwar nicht wie vielfach gefordert vollständig gestrichen, soll aber in der Praxis obsolet werden. Denn im Gegenzug wird die sogenannte vorbehaltene Sicherungsverwahrung erleichtert, die künftig auch bei Ersttätern anwendbar sein und für die schon die »Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeitsprognose« ausreichen soll. Hierbei hält ein Richter im Urteil die Entscheidung über eine Sicherungsverwahrung bis zum Ende der Haft offen. Eine weitere Neuerung ist, dass entlassene Straftäter künftig elektronisch überwacht werden dürfen.

So klar, wie sie scheinen, sind die Änderungen allerdings nicht. Schon über die neue »Therapieeinrichtung« gibt es konträre Auffassungen, selbst in der Koalition. Während die Union verkündet, die meisten der nach der europäischen Entscheidung Entlassenen könnten nun wieder weggeschlossen werden, geht die FDP-Justizministerin davon aus, dass diese Regelung nur für einen kleinen Teil anwendbar sein wird. Richter- und Anwaltsverbände lehnen das Vorhaben dagegen entschieden ab. Sicherungsverwahrte würden damit umetikettiert, argumentieren sie, um das EGMR-Urteil auszuhebeln. Die Bundesregierung verlasse damit »den Boden der verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben«, kritisiert die Neue Richtervereinigung (NRV).

Scharfe Kritik gibt es auch an der vorbehaltenen SV. Die Befürchtung ist, dass Richter diese zur Sicherheit lieber einmal mehr als zu wenig vormerken könnten. Der Ex-Bundesrichter und linke Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neškovic sieht darin die Einführung einer verschärften Form der nachträglichen Sicherungsverwahrung. »Die Sicherungsverwahrung wird bei schweren Straftaten zum Regelfall werden«, prophezeit er.

Auch die versprochene Beschränkung auf Sexual- und Gewalttäter sollte nach Veröffentlichung des Gesetzentwurfs aufmerksam geprüft werden. Denn eine eindeutige Begrenzung stand zumindest nicht in dem Papier, das für Stellungnahmen verschickt wurde. Angeordnet werden konnte SV demnach weiterhin für Delikte wie gewerbs- und bandenmäßigen Betrug, Urkundenfälschung oder Wohnungseinbruchdiebstahl, auch wenn dabei niemand einen gravierenden körperlichen oder seelischen Schaden genommen hat. Dies war von Fachverbänden heftig moniert worden.

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