Im Dienste der Stauffenbergpartei

Das Tagebuch des Jeremy-Maria zu Hohenlohen-Puntiz – 16. Folge

  • Lesedauer: 3 Min.
Was letzte Woche geschah: Tag der deutschen Einheit am Brandenburger Tor. Ein Kondensstreifen am Himmel inspiriert Roland zu einem diabolischen Plan, bei dem auch Kalle, das populärste Mitglied der Stauffenbergpartei, zu Schaden kommen könnte. Hoffentlich nur ein Scherz.

Stühle rücken, Sektgläser klirren, Schmatzen und Schlürfen, begleitet von den Tippelschritten des emsig beflissenen Ameisenvolkes der Kellner. Schnitzelluft. Freilich, das Borchardts ist kein lauschiges Plätzchen, für die Konspiration denkbar ungeeignet. Doch gerade dieses Getümmel und Gewimmel unter seinesgleichen sollte der konservative Revolutionär suchen. Hier wird er gesehen und übersehen, gehört, aber überhört. Das erste Treffen der Kartoffel-Connection. Roland, Jauch und ich auf der einen Seite des Tisches, uns gegenüber Winni Kretschmann, Cem und Renate, die mit ihren zwei Parteibüchern aber eher zwischen den Stühlen sitzt. Hier speist die Koalition der Vernunft. Einzig Kalles Platz wird leer bleiben.

Nach den Glückwünschen zum Umfragehoch gehen wir zur Frage des Abends über. Kann die Stauffenbergpartei mit den Grünen die Zweidrittelmehrheit erringen und so die großen Zukunftsprojekte stemmen? Klassenwahlrecht, Arbeitspflicht, die Rückkehr zu den ökologischen Landbaumethoden des Vorkriegsjunkertums. Die Chancen stehen gut. Zum einen sind die Ökos en vogue wie nie, zum anderen lechzt das Land nach einer wirklich konservativen Partei. Es herrscht weitgehende Einigkeit, nur die Einführung der Prügelstrafe geht den Wohlfühlkonservativen zu weit. Dabei böte sich hier eine Chance, auf muslimische Bürger zuzugehen. »Stichwort Scharia«, sage ich und zwinkere Cem kokett zu, der mich auf das Thema kulturfremde Zuwanderung anspricht. »Nullo Problemo«, antworte ich und nippe an meinem Aperitif. »Wir brauchen Schafhirten und Imker für den Osten. Außerdem anatolische Bauern, die die einst von den faulen Hugenotten liegen gelassene Arbeit wiederaufnehmen.« Lediglich die Fruchtbarkeit der Orientalen müsse man in den Griff bekommen.

»Kommt Kalle noch?«, fragt Winni Kretschmann zu mir herübergebeugt. Er sei ein großer Verehrer. Grandios der TV-Auftritt seiner Stephanie. So etwas wie mit den Perversen solle man auch mit Sozialschmarotzern machen, etwa, indem man sie mit gratis Urlaubsreisen aufs Land locke, wo sie knallharte Feldarbeit erwarte.

21 Uhr, weiterhin keine Spur von Kalle. Da piept Jauchs Telefon, eine SMS des Säumigen. Jauch liest vor. Ein Hochradunfall, Sturz, Platzwunde. »Mit dem Hochrad?«, staunt Winni Kretschmann. »Tradition meets Umweltbewusstsein«, im Ländle sehe man so was gern. Roland verzieht das Gesicht. Überhaupt macht er an diesem Abend einen unglücklichen Eindruck. Dabei ist sein Vorschlag, Stuttgart 21 für unsere Zwecke zu nutzen, erstaunlich gut angekommen. Genial. Eine militante Bewegung von Bahnhofsbefürwortern auf die Gegner loslassen, schon gibt's die schönste Massenkeilerei. Schleimer Geißler lässt sich sicher auch ins Boot holen. Als der Nachtisch gebracht wird, richtet sich Roland auf, verabschiedet sich, ohne den Teller angerührt zu haben.

Schwarz der Nachthimmel über der Französischen Straße. Längst haben wir uns von den Schwaben verabschiedet. Zu vorgerückter Stunde waren sie immer weinseliger gewordenen, ich habe noch ihr Wehklagen in den Ohren: »Die Roth kostet uns 10 Prozent«, »als Deutscher wird man ständig diskriminiert.« Jauch torkelt auf mich zu, sucht Halt an meinem Revers. Weißweinatem. Er müsse über Roland und Kalle sprechen, dringend.

Der satirische Tagebuchroman des konservativen Verschwörers erscheint jeweils in der Mittwochausgabe des ND. Die nächste Folge erwarten wir am 20. Oktober 2010.

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