Union will Sicherungsverwahrung behalten

Justizstaatssekretäre von Bund und Ländern beraten heute über Gesetzentwurf

Die Union beharrt weiter auf der Möglichkeit, die Haft für als besonders gefährlich geltende Täter willkürlich verlängern zu können. Bundesweit sind in den vergangenen Wochen 15 Straftäter aufgrund eines Straßburger Gerichtsurteils aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden.

Vor einer Woche haben die Innen- und Rechtspolitiker von CDU und CSU sich vorgenommen, die von der eigenen Regierung beschlossenen Eckpunkte zur Reform der Sicherungsverwahrung (SV) zu kippen. Seither vergeht kein Tag, an dem Nachrichtenagenturen nicht einen weiteren Unionspolitiker zitieren, der in einem Interview vor einer Gefährdung der Bevölkerung warnt, sollten die Pläne Gesetz werden. Neue Argumente liefern die Statements nicht, aber sie halten eine Kampagne am Kochen, die ihnen in den heutigen Beratungen der Justizminister über einen Gesetzentwurf den Rücken stärkt.

Sicherungsverwahrung bedeutet, dass Straftäter ihre Haftstrafe voll verbüßt haben, aber zum Schutz der Allgemeinheit nicht frei kommen, weil sie weiter als gefährlich gelten. Etwa 500 Menschen sind davon derzeit betroffen, 1996 waren es 180.

Die Eckpunkte der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sehen vor, dass Sicherungsverwahrung für Straftäter nicht mehr am Ende der Haftzeit angeordnet werden darf, wenn sie nicht bereits im Urteil vermerkt war. Zum Ausgleich dafür soll die vorbehaltene Sicherungsverwahrung ausgeweitet werden. Das bedeutet, dass ein Richter in seinem Urteil androht, dass SV auch noch zu einem späteren Zeitpunkt verhängt werden kann. Zudem soll sich das Mittel künftig auf schwere Fälle wie Sexual- und Gewalttäter beschränken. Derzeit sitzen auch Menschen wegen mehrfachen Diebstahls, Raubs oder Betrugs seit vielen Jahren in Sicherungsverwahrung. Bei der Überwachung entlassener Strafgefangener setzt die Justizministerin auf elektronische Fußfesseln.

Die FDP-Ministerin beruft sich bei ihrem Vorhaben auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR). Damit habe der Gesetzgeber »keinerlei Spielraum mehr«. Im Dezember hatte das Gericht ein deutsches Gesetz kassiert, mit dem die Sicherungsverwahrung rückwirkend verlängert worden war. Bis 1998 galt eine Befristung auf zehn Jahre. Diese wurde aufgehoben. Manche, die vorher auf freien Fuß hätten gesetzt werden müssen, blieben nunmehr eingesperrt. Mindestens 70 Menschen sind von dem EGMR-Urteil direkt betroffen und hoffen nun freizukommen.

Die Union interpretiert das Urteil anders und will an der nachträglichen Sicherungsverwahrung festhalten. Sie dürfe »nicht komplettt aufgegeben werden«, erklärt Wolfgang Bosbach (CDU), Vorsitzender des Bundestagsinnenausschusses. Das Gesetz sei für die Zukunft »überhaupt nicht in Frage gestellt«, sagt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Änderungsbedarf sehen sie nur für die »Altfälle«, die nach dem Urteil des EGMR aus der Verwahrung entlassen werden müssen. Die Union will die Betroffenen weiter wegschließen und hat deshalb eine neue Einrichtung ins Gespräch gebracht: die »Sicherungsunterbringung«, die weder Gefängnis noch Psychiatrie sein soll. Das soll die Kritik des EGMR ausräumen, die Sicherungsverwahrung sei in Deutschland das Gleiche wie eine Strafhaft. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will mit einem Gesetz baldestmöglich Fakten schaffen, damit die Zahl der Freigelassenen nicht weiter steigt.

15 sollen es nach Informationen der Frankfurter Rundschau mittlerweile sein, darunter verurteilte Sexualstraftäter, was vor Ort zu heftigen Protesten führt. Weitere Freilassungsanträge werden derzeit geprüft. Zu denjenigen, die sich Hoffnung machen, gehören ältere Männer, die wegen Raubes zum Teil seit 40 Jahren im Gefängnis sind. Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte die Union, sie suggeriere den Bürgern, für diese Gruppe könne erneute Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Im Fall einer gerichtlich angeordneten Entlassung sei dies jedoch ausgeschlossen.

Elektronische Fessel

Elektronische Fesseln sind in den USA und einigen europäischen Staaten fester Bestandteil des Strafvollzugs. Prominentes Beispiel war jüngst der Regisseur Roman Polanski, der in der Schweiz rund sieben Monate unter elektronischem Hausarrest stand.

In Deutschland setzt Hessen die Fußfessel seit zehn Jahren ein und hat sie in rund 700 Fällen erprobt. Meistens kommt die Fessel bei Bewährungsstrafen zum Einsatz. In Baden-Württemberg startet im Oktober ein Pilotversuch – erprobt wird der elektronische Hausarrest unter anderem bei Menschen, die eine Geldstrafe schuldig geblieben sind.

Die elektronische Fessel ist ein mit einem Sender ausgestattetes Fuß- oder Armband aus Kunststoff. Der wasserdichte Sender ist über das Telefon- oder Mobilfunknetz mit der überwachenden Behörde verbunden ist. So können die Bewegungen des Betroffenen, seine An- oder Abwesenheit zu Hause, rund um die Uhr kontrolliert werden. Nimmt er die Manschette ab, wird sie zerstört. (dpa/ND)

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