Krieg und Frieden in Somalia
Die Nordregion Somaliland hat nach Wahlen in ihrem Bereich einen neuen Präsidenten
Am Horn von Afrika sind gute Nachrichten selten. Umso glücklicher strahlte Essa Yusuf Mohammed, der Chef der Wahlkommission von Somaliland, als er jetzt die Ergebnisse der Wahl bekannt gab. Der bisherige Oppositionsführer Ahmed Mohammed Silanyo hat demnach fast 50 Prozent der Stimmen erhalten und ist damit zum neuen Präsidenten gewählt. Amtsinhaber Dahir Riyale Kahin erhielt hingegen nur ein Drittel der Wählerstimmen. »Diese Wahl ist sehr wichtig für Somaliland«, freut sich Mohammed. »Sie ist ein wichtiger Schritt für die Demokratisierung.« Internationale Wahlbeobachter erteilten der Wahl ihren Segen. »Trotz einzelner Unregelmäßigkeiten war der Wahlprozess frei und fair«, bestätigt der Brite Conrad Heine. Die Abstimmung, die übrigens am 50. Jahrestag der Unabhängigkeit von Großbritannien stattfand, habe internationalen Standards entsprochen.
Die friedliche Abwahl einer Regierung allein ist in Afrika rar genug. Doch in Somaliland galten die Hindernisse als besonders groß. So hatte Kahin die Wahl seit 2008, als sein Mandat auslief, trotz Protesten mehrfach verschoben. Der Streit um die Erstellung eines Wahlregisters gipfelte in einem Faustkampf im Parlament, ein Abgeordneter zog sogar eine Pistole. Angehörige der im Süden Somalias agierenden Shabaab-Miliz warnten die gut eine Million Wahlberechtigten davor, ihre Stimme abzugeben. Wahlen seien »der Weg des Teufels«, wer an die Urnen gehe, müsse mit dem Tod rechnen. Am Horn von Afrika, wo seit 2007 mehr als 210 000 Menschen in der jüngsten Etappe des somalischen Bürgerkriegs ums Leben gekommen sind, nimmt man solche Drohungen ernst.
Dazu kommt das Hauptproblem Somalilands. Die 1991 gegründete Republik hat zwar eine eigene Flagge, eine Hymne, eine Währung und neben dem Abgeordnetenhaus eine zweite Kammer, in der die traditionellen Stammesältesten das Sagen haben. Doch anerkannt ist Somaliland von keinem Staat der Welt. Völkerrechtlich ist das Gebiet, das einst britisch besetzt war, weiter Teil von Somalia . Die Republik Somalia, bestehend aus den bisherigen Kolonien Britisch- und Italienisch-Somaliland war am 1. Juli 1960 unabhängig geworden.
»Wir haben keinen Zugang zur Weltbank«, erklärt der bisherige Außenminister Abdillahi Duale die Folgen. »Wir schaffen es, unser Land am Laufen zu halten, aber für die nötige Infrastruktur reicht es nicht.« Die in Somaliland vermuteten Rohstoffe – vor allem Uran und Öl – können deshalb trotz des seit 1991 herrschenden relativen Friedens nicht abgebaut werden.
Dass kein Land bereit ist, Somaliland als eigenständigen Staat anzuerkennen, ist umso erstaunlicher, wenn man sich die Entwicklung im Süden ansieht. Den 50. Jahrestag der Unabhängigkeit beging der Präsident der machtlosen Übergangsregierung, Sheikh Sharif Ahmed, an der Front. Auf Fotos, die Somalias Informationsminister verschickte, ist Ahmed zu sehen, wie er in Uniform vor den Ruinen steht, die von der Hauptstadt Mogadischu noch übrig sind. Wie erfolgreich die Offensive gegen zwei von gegnerischen Milizen kontrollierte Stadtteile verlief, ist unklar.
In seiner Jubiläumsansprache rief Sharif Ahmed die Bevölkerung auf, durchzuhalten. »In den kommenden zehn Jahren müssen wir aufbauen, was wir in den vergangenen 20 Jahren zerstört haben.«
Doch trotz der Unterstützung afrikanischer Friedenstruppen kontrollieren die Regierungstreuen derzeit nur einen kleinen Teil von Mogadischu. Der Rest wird von islamischen Milizen beherrscht. Ein Ende der Kämpfe ist nicht absehbar. Vor allem deshalb sind in den vergangenen Jahren Hunderttausende Somalis ins sichere Somaliland geflohen.
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