Härte und Humor

Sigitas Parulskis war Fallschirmspringer

  • Harald Loch
  • Lesedauer: 2 Min.

Robertas ist Litauer und wurde in der Endzeit der Sowjetunion in der Roten Armee zum Fallschirmspringer ausgebildet. Da hat der 44-jährige Sigitas Parulskis eigene Erlebnisse verarbeitet. Aus der Zeit seiner Stationierung mit einer sowjetischen Eliteeinheit auf einem Truppenübungsgelände bei Cottbus in der DDR wachsen sie traumatisch in die litauische Gegenwart hinüber. Entstanden ist ein sehr hartes Buch über die Schinderei während der Ausbildung zur Spitzeneinheit der Armee, über die Unmöglichkeit zu lieben, über das Gefühl, vor Kraft kaum laufen und vor Alkohol kaum mehr stehen zu können – ein Buch über die Abgründe erzwungener Inszenierung von Männlichkeit in der militärischen Subkultur.

Parulskis' Held hält das Lebensgefühl einer jüngst vergangenen Zeit für immer fest, an das sich bald keiner mehr erinnern kann. Die Sinnlosigkeit einer Eliteausbildung, vergeudete Jugendjahre, ein Leben ohne persönliche oder gemeinschaftliche Perspektive. Hierzu ist eine Sprache nötig, die für optimistischere Zeiten nicht taugt. Die Härte dieses Buches entsteht aber nicht so sehr aus dem drastischen Vokabular als durch die erzählten Fakten. Der Autor ist beileibe kein Grobian. Er hat als Lyriker angefangen, verfügt sprachlich über eine Palette mit schöneren Farben. Aber diese Zeit zwischen dem Nicht-Mehr und dem Noch-Nicht, zwischen Sozialismus und (welcher?) Freiheit – diese Zeit des unerwarteten Übergangs von Russland zu Litauen entlockt seinem Erinnern an gerade Vergangenes vor dem Hintergrund unmittelbar entstehenden neuen Lebens buchstäblich nackte Tatsachen.

Bekömmlich wird dieses an Céline erinnernde düstere Panorama durch eine gut dosierte Portion Humor, durch Ironie und Sarkasmus, die das Leben bereithält. Die Perspektiven, aus denen der Held in der ersten Person erzählt, sind fein abgestimmt: Erinnerungen an Tatsachen und an Träume, Reflexionen in der Gegenwart, ein Hauch von Sehnsucht nach der verlorenen Jugendlichkeit, die auch einer »verlorenen Jugend« ihren eigenen Glanz verlieh – das macht aus »Drei Sekunden Himmel« einen ernst gemeinten, hart geschriebenen, mit menschlicher Sympathie zu lesenden Roman aus einem Land, dessen Schicksal immer ein europäisches war.

Sigitas Parulskis: Drei Sekunden Himmel. Roman. Aus dem Litauischen von Claudia Sinnig. Claassen. 249 S., geb., 19,90 €.

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