Rumäniens Volksseele kocht

Wachsender Protest gegen Sparpolitik und soziale Ungerechtigkeit

  • Denis Grigorescu, Bukarest
  • Lesedauer: 2 Min.
In Rumänien führt die Krise zu starken sozialen Spannungen. Immer mehr Menschen protestieren gegen Sparpolitik und soziale Ungerechtigkeit. Die Mitte-Rechts-Regierung hat in dieser Woche ein Misstrauensvotum nur knapp überlebt.

Die rumänische Volksseele kocht. Immer mehr Menschen gehen auf die Straße, um ihrem Ärger über die Sparpolitik der Regierung von Ministerpräsident Emil Boc Luft zu machen. Die trifft vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten und wird als sozial unausgewogen empfunden. Dennoch hält Boc am Konsolidierungskurs fest, um eine griechische Finanztragödie in seinem Land zu verhindern, wie es heißt. Einen Misstrauensantrag am Dienstagabend hat die Mitte-Rechts-Koalition nur knapp abgewehrt. Tausende aufgebrachter Rumänen demonstrierten vor dem Parlament in Bukarest, als drinnen 228 Abgeordnete für eine Abwahl des seit Dezember wieder amtierenden Regierungschefs stimmten. Das sind acht Stimmen zu wenig. Sein letztes Kabinett war im Oktober 2009 durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden. Nach den Präsidentenwahlen im Dezember, in denen Traian Basescu im Amt bestätigt wurde, beauftragte der Staatschef Boc erneut mit der Regierungsbildung.

Die gewonnene Abstimmung bringt auch Vorteile für Rumäniens Staatsfinanzen. Denn mit dem Verbleib der Regierung wird der Weg frei für die Auszahlung der nächsten Tranche eines insgesamt 20 Milliarden Dollar umfassenden Kredits von EU und IWF. Die Auszahlung wird von stabilen politischen Verhältnissen abhängig gemacht und war während der Regierungskrise von Oktober bis Dezember 2009 ausgesetzt worden.

Doch zeigt das knappe Ergebnis, mit welchem Widerstand Boc bei seinen Sparplänen rechnen muss. Sie sehen unter anderem die Kürzung der Gehälter im öffentlichen Dienst um bis zu 25 Prozent vor, die der Renten um 15 Prozent. Weitere Sozialleistungen und andere Staatsausgaben fallen dem Rotstift zum Opfer. Rund 195 000 Stellen im öffentlichen Dienst müssten in diesem und im kommenden Jahr gestrichen werden, kündigte Boc an. Im Staatsdienst sind 1,36 Millionen Menschen beschäftigt, bei einer Gesamtbevölkerung von 22 Millionen. Die Arbeitslosigkeit liegt derzeit bei acht Prozent.

Die Plenardebatte war an Schärfe kaum zu überbieten. Oppositionsabgeordnete und Gewerkschafter auf der Gästetribüne riefen immer wieder »Diebe, Diebe«, wenn Mitglieder der Regierungskoalition sprachen. Boc konterte, die Oppositionsparlamentarier seien nur so aufgebracht, weil sein Sparprogramm auch eine Kürzung ihrer Luxus-Pensionen vorsehe. Eine Gruppe um den sozialdemokratischen Senator Dan Sova nahm einem Mann, der die Ankunft von Parlamentariern und Gewerkschaftern filmte, die Videokamera ab. Das seien polizeistaatliche Methoden, so Sova in der Debatte. Denn der Kameramann war ein Polizist. Er hatte vor allem Gewerkschafter auf der Tribüne bei deren lautstarken Protesten gegen Premier Boc aufgenommen.

Nach dem gescheiterten Misstrauensvotum kann die Opposition die Sparmaßnahmen nur noch durch die Anrufung des Verfassungsgerichts aufhalten. Doch gilt dieser Weg als wenig aussichtsreich und deshalb unwahrscheinlich.

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