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Kugelisierung des Kapitals
Köstlich! So könnte unterhaltsamer Unterricht in Marxismus-Leninismus aussehen. Herbert Driebe aus Potsdam verhohnepipelt in seinem gleichnamigen Büchlein den absichtlich verhüllenden Begriff der Globalisierung. Eigentlich müsste es seiner Meinung nach »Erdkugelisierung« heißen, doch das würde sich ja nicht so schön anhören in Parteiprogrammen und Regierungserklärungen.
Gerate eine Talkshow ins Stocken, weil niemand erklären kann, warum die Gewinne der Unternehmen explodieren und der Rest der Welt immer ärmer wird, dann werde dieses Ass aus dem Ärmel gezogen: »Aber wir müssen die Globalisierung beachten.« Das funktioniere immer ausgezeichnet. Die zunehmende Vernetzung und die wachsende Abhängigkeit der Völker durch die elektronische Revolution, das fasst Driebe in dem Satz: »Die Produktivkräfte entwickeln sich weiter.« Sie haben sich aber immer entwickelt, die Wall Street sei schließlich nicht mit dem Faustkeil errichtet worden. Das Kapital stürme dem Profit hinterher um den Erdball. Es versuche dabei, dem Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate zu entkommen. Die Aufwendungen für Arbeitsinstrumente und Rohstoffe steigen, aber aus der Arbeitskraft lässt sich nicht noch mehr herauspressen. Also müssen immer neue Absatzmärkte und Rohstoffquellen erschlossen werden. Das alles sei schon bei den Glasperlen- und Sklavenhändlern in der Zeit des Kolumbus so gewesen.
Für Driebe ist die Globalisierung das höchste Stadium des Imperialismus und nichts anderes als Neokolonialismus. Seine Thesen erläutert er an zahlreichen Beispielen, die von den alten Römern über die Invasion der italienischen Faschisten in Äthiopien bis zu Rumänien und Ungarn vor und nach 1989 reichen.
Der Autor beginnt mit einem erfrischend frech-ironischen Ton, wird zunehmend bissig, aber nie unsachlich. Nur ganz selten verfällt der Autor in einen trockenen Gelehrtenstil. Er kann dann nicht anders, weil er die Klassiker zitiert und kommentiert. Es lohnt sich, dieses Buch zu lesen – und es bereitet Vergnügen, so ernst das Thema auch ist. Übrigens entstand das Manuskript bereits vor dem Ausbruch der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise und sagte die Entwicklung voraus. Driebe ist allerdings kein hellseherisch begabter Prophet, sondern lediglich ein kluger Marxist.
»Globalisierung« ist Driebes Erstlingswerk. Einst war er Landesvorsitzender der Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit, dann kurze Zeit Landeschef der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Er lebt in Potsdam und betreut dort für die Norbert-Fiebelkorn-Stiftung eine Brandenburger Bibliothek der im Faschismus verbotenen Bücher.
Herbert Driebe: »Globalisierung, imperiale Tragödie in neuem Outfit«, petit édition, 144 Seiten (brosch.), 8,80 Euro, ND-Bestellservice, Tel.: (030) 29 78 17 77
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