Staunen und Müßiggang
Staunen und Müßiggang
Das kann man schon einen Prachtband nennen, und »Berlin« liegt auch ziemlich schwer in der Hand. Das ist das Kunstdruckpapier. Einen eigenen Geruch hat es, zieht man das druckfrische »BERLIN« aus dem recht kräftig gefertigten und repräsentativen Schuber. Den schmückt wie den Schutzumschlag auf blau-schwarzem Hintergrund ein dank des »Festivals of Lights« nicht mehr beton-, sondern vielmehr zart goldfarbener Fernsehturm mit seiner allerdings auch sonst rot-weißen Spitze. Ein schönes Bild lädt ein in ein schönes Buch. Das reicht von Staunen über die Berliner Klassiker bis Müßiggang in Parks und Umgebung.
Die Hauptstadt »in wunderbaren Ansichten und aus neuen Perspektiven« wollen der Berliner Fotograf Jürgen Henkelmann und Autor Michael Kühler präsentieren. Das führt sie zumeist und sicher erwartungsgemäß an allseits bekannte Orte: Brandenburger Tor und Reichstag, Konnopke und die East-Side-Gallery, Pfaueninsel und Hauptmann von Köpenick. Wer dies und all das andere, das sich auf den 350 Fotos findet, wirklich gesehen hat, kann wahrhaftig sagen, er sei in Berlin gewesen. Es zu kennen bedarf es freilich noch etwas mehr, wenn auch die Totalen häufig prachtvoll und im besten Licht, die Details mit Zuneigung gesucht und ausgewählt erscheinen.
Mit Vorurteilen geht Autor Michael Kühler kritisch um und sucht sogar damit etwas aufzuräumen. Was macht es, dass er sie auf diese Weise ja auch nur pflegt. Herz und Schnauze kommen ebenso vor wie die Berliner Luft, Ecken und Kanten ebenso wie das vorgebliche Gefühl des Berliners, etwas Besonderes zu sein. Aber das ist nett geschrieben und sicher auch so gemeint. Dem Nicht-Berliner gibt es manchen Aufschluss und dem Berliner wird's nicht schaden.
Auch nicht die Anmerkung zum Berlinern der Berliner: »Tatsache ist, dass sich wie in anderen Regionen Deutschlands der Dialekt von Dorf zu Dorf mehr oder weniger stark unterscheidet.« Mein Deutschlehrer wurde als Feingeist einst noch richtig zornig, wenn das Berlinische in den Rang eines Dialektes erhoben wurde: »Das ist ein Jargon!«, klagte er dann. Der heutige Berliner dürfte sich über die Bezeichnung Dorf wundern, wo es doch, wie anschließend aufgezählt, um Bezirke und Stadtteile geht. Aber das sollte dem Schreiber mit den bayerischen Wurzeln verziehen sein. Er weiß es ja selber – ganz Berlin ist nur ein großes Dorf und für Geschichtsbewusste sogar gleich knapp zwei Dutzend.
Berlin, Verlagshaus Würzburg, 2010, 224 S., ISBN 978-3- 8003-1949-7, € 49,95 Euro
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