Abgestempelt

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Sie haben's schon wieder getan! Wieder wurde der Ossi gedemütigt, gar seine Identität in Frage gestellt! Einer Frau aus dem Osten ist gekündigt worden, weil sie eine Frau aus dem Osten ist. Und das Gericht behauptet, es gäbe den »Ossi« gar nicht! Unglaublich. Nicht hinnehmbar!

Oder? An der Klage, über die die Stuttgarter Richter zu entscheiden hatten, kann man erkennen, dass die Frau wohl schon vor langer Zeit in den Westen übersiedelte, dass ihr Anwalt ganz sicher ein Wessi ist. Angehöriger einer ostdeutschen Ethnie zu sein, behauptet kein Ossi mit auch nur einem Rest Selbstwertgefühl. So was tun nur Wessis, für die der Ostdeutsche ein unergründliches Rätsel scheint. Und wenn – was auch vorkommen soll – ein Westdeutscher sich umgekehrt in festgefügten ostdeutschen Notgemeinschaften als eine Art Aussätziger behandelt fühlt, dann ist es bestimmt nicht der Volksstamm, den man ihm vorhält.

Es gibt ja genug andere Gründe, aufeinander sauer zu sein. Während der Ostdeutsche in blühenden, aber zunehmend entvölkerten Landschaften lebt, kurvt der Wessi genervt um die Schlaglöcher herum, die die Kosten der Einheit in sein Selbstwertgefühl gerissen haben. Und das lässt er dann an Arbeit suchenden Leuten aus, die er mit dem Stempel »Ossi« aussortiert. Oh ja, da kann der Ostdeutsche schon fuchtig werden!

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