Gelbe Karte für Zapateros Rentenpläne

Über 100 000 Spanier demonstrieren gegen die Erhöhung des Ruhestandsalters auf 67 Jahre

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Ralf Streck, San Sebastián

Aus Protest gegen die Regierungspläne für eine Rente ab 67 gingen mehr als 100 000 Spanier auf die Straße gegangen.

»Ich hoffe, dass die Regierung die Rufe von der Straße hört«, sagte der Generalsekretär der Gewerkschaft UGT, Candido Méndez, am Dienstagabend in Madrid. Es war die erste große Protestbewegung gegen die Politik des sozialistischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero nach dessen Amtsantritt vor sechs Jahren.

Die diffusen Pläne der Regierung sehen vor, das Rentenalter von 65 auf 67 Jahre zu erhöhen. Den Auftakt einer Protestwoche bildeten die Demonstrationen in Madrid, Barcelona, Valencia, Oviedo und kleineren Städten.

Der größte Protestmarsch fand in der Hauptstadt statt. »Verteidigen wir die Renten, die Lösung liegt nicht im Beschneiden des Sozialstaats«, war auf dem Fronttransparent in Madrid zu lesen. Dahinter hatten sich nach Gewerkschaftsangaben 70 000 Menschen geschart. Doch die Zahl dürfte eher bei 16 000 gelegen haben, ermittelte die auf Zählungen spezialisierte Firma Lynce. Etwa so viele waren es auch in der katalanischen Metropole Barcelona und etwas weniger in Oviedo und Valencia.

»Spielen Sie nicht mit den Renten, mit der Zukunft von Millionen Menschen«, warnte Ignacio Fer-nández Toxo, Chef der Arbeiterkommissionen (CCOO). Aber auch seine große Gewerkschaft tut sich schwer, gegen die Regierung der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) auf die Straße zu gehen. Denn erstmals mobilisieren sie gegen Pläne »ihrer« Regierung. Deshalb fehlte es in den Gewerkschaftsreden nicht an Angriffen gegen die konservative Volkspartei (PP), von deren neoliberalen Vorstellungen sie noch weniger halten. Erst 2002 hatten die Gewerkschaften eine dekretierte Arbeitsmarktreform durch einen Generalstreik weitgehend zu Fall gebracht.

Die Proteste sind keine Revolte gegen die Regierung, sondern Ausdruck dessen, dass der Unmut wächst. Denn gegen ihre Versprechen bittet die Regierung nun die einfache Bevölkerung zur Kasse. Es ergebe keinen Sinn, die Reform zum »Bestandteil des Sparprogramms« zu machen und »soziale Unruhen zu provozieren«, sagte Toxo. Er spielt darauf an, dass Zapatero die Pläne in Brüssel als Teil des Sparpakets verkauft, aber zu Hause erzählt, es gehe darum, die Renten auch für die Zukunft zu sichern. Da Zapatero sich nun zum Dialog bereit zeigt, werden aber seine Sanierungspläne fraglich.

Dabei gibt es keine Dringlichkeit für die Rentenreform, auch wenn Spaniens Haushaltsdefizit 2009 auf Werte wie in Griechenland explodierte. Anders als dort hatte das Rentensystem daran keinen Anteil. Es wies erneut einen deutlichen Überschuss aus. Bei einer offiziellen Arbeitslosenquote von 20 Prozent fragen sich die Menschen, wo sie – zudem zwei Jahre länger – denn arbeiten sollen. Die Anhebung des Eintrittsalters läuft real auf eine Kürzung der Renten hinaus, die ohnehin durchschnittlich nur bei 760 Euro liegen. Darauf zielen auch die hinter vorgehaltener Hand vorgetragenen Pläne, die Rentenanrechnungszeit von 15 auf 25 Jahre auszuweiten.

Die Gewerkschaften fordern, Arbeitsplätze zu schaffen, um die Renten sicher zu machen. Denn nichts belaste die Sozialkassen so stark wie eine hohe Arbeitslosigkeit. Hinter der Debatte stünden vor allem Interessen der Finanzwelt, die private Rentenversicherungen anbietet, um damit Geschäfte zu machen. Ein saftiger »Brocken vor der Nase der Finanzhaie«, meinen die Gewerkschaften.

Tatsächlich hat Spanien Reformen verschlafen. Als die PSOE 2004 die Regierung von der PP übernahm, steuerte sie nicht um, sondern behielt den neoliberalen Kurs bei. Sie ist mit einer einstürzenden Ökonomie konfrontiert, weil die PP in acht Jahren keine Fundamente errichtete. Es ist ungesund für jede Wirtschaft, wenn mit Spekulationsgeld eine Immobilienblase erzeugt wird, die ein Drittel der Wirtschaftsleistung ausmachte. Explodierende Wohnungspreise führten, trotz Überangebot, zur Rekordverschuldung von Familien, die nun reihenweise ihre Wohnungen verlieren. Dazu kommt, dass spanische Banken das Zinsrisiko, wie in keinem anderen Land, über flexible Zinssätze voll auf den Kreditnehmer abwälzen können. Auch die Modernisierung der Wirtschaft wurde nicht vorangetrieben. Deshalb verliert Spanien jährlich Konkurrenzfähigkeit, was auch niedrige Löhne nicht länger ausgleichen können.

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