Den Stellenpool abschaffen?

Berlin-Brandenburgs DGB-Vizechefin Doro Zinke: Nachwuchs ausbilden / Doro Zinke soll Ende Januar zur Vorsitzenden des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg gewählt werden

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Den Stellenpool abschaffen?

ND: Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat den Berliner Senat heftig kritisiert. Grund: der Umgang mit den Beschäftigten im Stellenpool. Was werfen Sie ihm vor?
Zinke: Dass er Beschäftigte im Pool verwaltet statt mit ihnen ihre Zukunft zu besprechen. Ihre Potenziale werden nicht genutzt, die Motivation sinkt. Die Zahlen werden schöngerechnet. Der Senat agiert auch jenseits des Stellenpools planlos, mit pauschalen Sparvorgaben und Einstellungsstopps. Jährlich werden 40 Auszubildende übernommen – bei 55.000 Tarifbeschäftigten! Man muss Nachwuchs ausbilden, sonst sind Dienststellen irgendwann leer.

Was fordern Sie?
Schluss mit der Versetzung von Beschäftigten zum Pool! Wer in den Überhang kommt, muss in seiner Dienststelle bleiben. Der Qualifizierungsbedarf muss in der Landesverwaltung festgestellt und Konzepte entwickelt werden. Wir müssen diskutieren, welche Dienstleistungen die Bürger brauchen. Wann gehen Kollegen in den Ruhestand? Wie sichern wir, dass sie ihr Wissen an Jüngere weitergeben? Die Vorgesetzten müssen mit den Beschäftigten besprechen, welche Aufgaben auf sie zukommen.

Wie würden Sie das Gefühl der Kolleginnen und Kollegen im Stellenpool beschreiben?
Sie fühlen sich auf dem Abstellgleis, werden aus den sozialen Bindungen in der Dienststelle gerissen und stehen im Ungewissen wie Leiharbeitnehmer. Viele fühlen sich diskriminiert. Frauen, Ältere, Langzeiterkrankte und Menschen mit Behinderungen sind überrepräsentiert.

Seit wann gibt es den Pool?
Seit 2004 – gegen den Widerstand von Gewerkschaften und Personalvertretungen. Laut Gesetz werden Beschäftigte in den Pool versetzt, deren Aufgaben weggefallen sind. Sie sollen auf freie Stellen in und außerhalb der Verwaltung vermittelt werden. Nach der Versetzung machen sie aber oft dieselbe Arbeit weiter.. Sie werden nur aus einem anderen Topf bezahlt.

Das Berliner Verwaltungsgericht hat Klagen von Beamten im Stellenpool dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Welches Ergebnis erwarten Sie?
Ich gehe davon aus, dass das Stellenpoolgesetz hinsichtlich der Beamten im Laufe des Jahres für verfassungswidrig erklärt wird. Beamte müssen nach der Verfassung amtsangemessen beschäftigt werden. Sie erhalten aber durch die Versetzung kein Amt beim Stellenpool. Der ist nur eine virtuelle Behörde. Den Beamtinnen und Beamten, die wir vertreten, geht es aber nicht um einen Sonderweg. Alle Beschäftigten müssen gleich behandelt werden.

Berlins Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) schwärmte vom Stellenpool. Wie verhält sich sein Nachfolger Ulrich Nußbaum?
Problembewusst. Er will einen Qualifizierungsplan für jede einzelne Person erstellen lassen. Wir fordern, dass nicht für die, sondern mit den Beschäftigten geplant wird, sonst funktioniert es nicht.

Kritiker bezeichnen den Pool auch als Geisterbehörde, mit der Etikettenschwindel betrieben wird. Sollte er ganz abgeschafft werden?
Zum Stellenpool sollten keine Beschäftigten mehr versetzt werden. Dort, wo sie tatsächlich arbeiten, darf man die Vorgesetzten nicht aus der Verantwortung für Personalentwicklung entlassen. Wir brauchen den Pool, aber als eine zentrale Behörde für Personalentwicklung, die Konzepte entwickelt, damit der Qualifizierungs- und Weiterbildungsbedarf abgedeckt wird.

Fragen: Andreas Heinz

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