Italien entrüstet sich über Kruzifix-Urteil

Schelte für Straßburger Richter

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), wonach ein Kruzifix im Klassenzimmer einer staatlichen Schule die Religionsfreiheit der Schüler und die Erziehungsfreiheit der Eltern verletzt, hat in Italien einen ungeahnten Proteststurm ausgelöst. Die Regierung in Rom hat sofort Berufung eingelegt.

»Es wird niemandem gelingen, unsere Identität auszulöschen – auch einem ideologisch gefärbten Gericht nicht.« Das erklärte Italiens Erziehungsministerin Mariastella Gelmini, nachdem das Urteil des EGMR am Dienstag bekannt geworden war. Die Richter in Straßburg hatten der Klage einer aus Finnland stammenden Italienerin stattgegeben, die in Italien in allen Instanzen mit ihrem Versuch gescheitert war, ihre Kinder in Räumen ohne religiöse Symbole unterrichten zu lassen. Jetzt scheint am Mittelmeer die Welt unterzugehen.

Dass die Kirche, also der Vatikan und die italienische Bischofskonferenz, auf die Barrikaden gehen, ist verständlich. Dass aber auch Regierung und Opposition so hart reagieren, verwundert denn doch. Für Roms neofaschistischen Bürgermeister ist das Urteil einfach nur »verrückt«, und die Erziehungsministerin ist davon überzeugt, dass das Kreuz ein Symbol der italienischen Geschichte ist: »Wenn man uns das nimmt, löscht man einen Teil von uns aus.« Ihr Parteikollege Maurizio Gasparri, Fraktionsvorsitzender im Senat, verwechselt den EGMR, der dem Europarat angegliedert ist, sogar mit der Europäischen Union und meint, man müsse über die italienischen Gelder für Brüssel neu nachdenken!

Rocco Buttiglione, christlicher Politiker und in Europa bekannt, weil er aufgrund seiner schwulenfeindlichen Äußerungen einst nicht zum EU-Kommissar gewählt wurde, geht noch einen Schritt weiter: Jeder, der in Italien leben will, müsse »unsere Kultur und unsere Geschichte« und also auch das Kruzifix in öffentlichen Räumen »verstehen und akzeptieren«.

Selbst der neue Vorsitzende der oppositionellen Demokratischen Partei, Pierluigi Bersani, kritisiert das einstimmige Urteil der sieben Richter, unter denen übrigens auch der italienische Verfassungsrichter Vladimiro Zagrebelsky ist (die anderen kommen aus Belgien, Portugal, Litauen, Serbien, Ungarn und der Türkei). Bersani sagte wörtlich: »Bei derart heiklen Angelegenheiten ist der gesunde Menschenverstand manchmal Opfer des Rechts. Ich denke, dass eine so alte Tradition wie das Kruzifix niemanden beleidigen kann.«

Nur ein paar mutige Intellektuelle und einige Vertreter der außerparlamentarischen Linken freuen sich darüber, dass wenigstens in Straßburg die Fahne des Prinzips der Laizität des Staates hochgehalten wird. So begrüßt Literaturnobelpreisträger Dario Fo das Urteil als eine Absage gegen die »alles fressende Staatskultur in Italien«.

Die betroffene Schule will das Urteil erst studieren und dann entscheiden, wie sie künftig verfährt.

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