- Berlin
- Potsdam
Gute Arbeit ist das Ziel, aber nicht das Ergebnis
Zu oft fruchtlose Bemühungen von Regierung, Gewerkschaften und Verbänden
2016 wurde in Brandenburg das Bündnis für gute Arbeit gegründet, neben anderen Bündnissen für Pflege, Demokratie und anderes mehr. Am Montagvormittag tagte das Bündnis für gute Arbeit hinter verschlossenen Türen in der Potsdamer Staatskanzlei.
»Gute Arbeit« bedeutet zuvörderst gute Löhne. Brandenburger verdienen aber im Durchschnitt pro Jahr 13 000 Euro weniger als ihre Kollegen in Westdeutschland. Die Lücke ist zuletzt sogar noch größer geworden. 2021 hatte der Abstand 11 000 Euro betragen. Vor dem Jahr 2009 hatte Brandenburg mit den niedrigen Löhnen sogar noch um Investoren geworben, dann machte der damals neu ins Amt gekommene Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) Schluss mit solchen Methoden. Aber gute Arbeit ist dennoch bislang nicht die Regel, denn nur noch 15 Prozent der Betriebe im Bundesland sind an Tarifverträge gebunden. DGB-Landesbezirkschefin Katja Karger nennt diesen Zustand »katastrophal«. Jeder Vierte erhalte gerade einmal den zwingend vorgeschriebenen Mindestlohn.
Nach Darstellung von Karger am Montag hätte die rot-schwarz-grüne Landesregierung wirksame Instrumente, »indem sie etwa öffentliche Aufträge und Gelder nur an tarifgebundene Unternehmen gibt«.
Für Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ist das Bündnis »Teil des Brandenburger Erfolgs«. Er schwärmte einmal mehr über den Spitzenplatz Brandenburgs beim Wirtschaftswachstum – »und diesen wollen wir beständig verteidigen«. Ob das Bündnis aus Politik, Verwaltung, Gewerkschaften und Lobbyverbänden etwas erreichte, gehen die Meinungen auseinander. Alle mit dem Thema Befassten sind sich darin einig, dass sich das Fachkräfteproblem seit 2016 noch verschärft hat. Der Ministerpräsident hält das Anwerben von Arbeitskräften aus dem In- und Ausland für eine Lösung des Problems. Voraussetzung dafür sei eine »gelebte Willkommenskultur«. Zudem müssten alle gegen Fremdenfeindlichkeit und für eine tolerante und offene Gesellschaft einstehen.
Vor zehn Jahren wurde bekannt, dass allein in Brandenburg rund 3000 Ausbildungsplätze im Gesundheitswesen nicht besetzt waren. Dennoch wurde nach Angaben von Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) die Zahl der Ausbildungsplätze erhöht. »Sie sind auch besetzt«, erklärte Nonnemacher am Montag. Das Problem seien hohe Abbrecherquoten zwischen 20 und 25 Prozent. Aber auch wenn es jemand in den Beruf schafft, gibt es keine Gewähr, dass dies von Dauer ist. »Viele kehren mit dem ersten Kind dem Beruf den Rücken«, sagte die Ministerin. Die Belastung durch Nacht-, Spät-, Wochenend- und Feiertagsdienste tue ein Übriges. Nonnemacher verspricht sich von einer intensiveren Begleitung und Betreuung der Berufseinsteiger eine Verbesserung der Situation.
Von schwierigen Zeiten sprach Alexander Schirp, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg. Die Wirtschaft werde durch hohe Kosten, zeitraubende Bürokratie, teure Transformationsprozesse und den zunehmenden Fachkräftebedarf unter Druck gesetzt. Deshalb seine Aussage zum Bündnis für gute Arbeit: »Wir sind längst nicht am Ziel.«
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.