Rassismus-Verdacht gegen Bundespolizei erhärtet sich

Deutliche Zunahme von »Schleierfahndung« an den Grenzen

Die Bundespolizei kontrolliert Menschen aufgrund ihres Aussehens, nennt dies aber »grenzpolizeiliche Erfahrungen«. Diese Praxis soll nun gesetzlich erlaubt werden.
Die Bundespolizei kontrolliert Menschen aufgrund ihres Aussehens, nennt dies aber »grenzpolizeiliche Erfahrungen«. Diese Praxis soll nun gesetzlich erlaubt werden.

Im vergangenen Jahr hat die Bundespolizei allein im Grenzgebiet fast 2,1 Millionen »verdachtsunabhängige Personenkontrollen« durchgeführt, das ist ein Anstieg gegenüber 2022 um etwa ein Zehntel. Das teilte das Bundesinnenministerium der Linke-Abgeordneten Clara Bünger auf Anfrage mit. Gemeint sind Maßnahmen nach Paragraf 23 des Bundespolizeigesetzes (BPolG), die »bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern« erfolgen und beim Verdacht der irregulären Einreise der Identitätsfeststellung dienen. Die Polizei nennt dies »Schleierfahndung«. Mit der gleichen Norm kontrolliert die Bundespolizei auch an Flughäfen, dort ist die Zahl der durchgeführten Kontrollen auf rund 86 000 angestiegen.

Die Zunahme passt zu den Ankündigungen der Bundesregierung vom vergangenen Herbst, »flexible Kontrollen« an der Grenze zu Polen und Tschechien verstärken zu wollen. Das schlägt sich auch in anlasslosen Personenkontrollen nieder, die sich mit 6878 sogar vervierfacht haben. Nach Paragraf 22 dienen sie der »Gewinnung polizeilich relevanter Informationen« und basieren unter anderem auf »grenzpolizeilichen Erfahrungen«.

Insgesamt hat die Bundespolizei im vergangenen Jahr 61 393 unerlaubte Einreisen festgestellt, 2022 waren es noch 44 311. Bezogen auf sämtliche von der Bundespolizei durchgeführten, anlasslosen Kontrollen ergibt sich damit eine »Trefferquote« von 2,7 Prozent.

Weil sie signifikant häufig Menschen betreffen, die als »Ausländer« gelesen werden, gelten die Kontrollen als rassistisch. Im November hatte eine Studie des Sachverständigenrats für Integration und Migration diese Kritik untermauert: Personen, die angeben, aufgrund von äußerlichen Merkmalen als ausländisch wahrgenommen zu werden, werden demnach doppelt so häufig (8,3 Prozent) von der Polizei kontrolliert als andere Personen. Das verstößt gegen das Diskriminierungsverbot in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes.

Bünger hat sich auch nach Beschwerden wegen »verdachtsunabhängiger Kontrollen« erkundigt, deren Zahl mit 46 auffällig niedrig ist. Drei dieser Eingaben aus 2023 seien begründet gewesen, so das Innenministerium. Bei Verwaltungsgerichten würden zudem sechs Klagen verhandelt.

Die Bundespolizei besteht aus über 50 000 Polizisten. Einsätze erfolgen an See-, Luft- und Landgrenzen sowie auf Anlagen der Deutschen Bahn. Das geltende Bundespolizeigesetz stammt von 1994, als die Truppe aus dem quasi-militärischen Bundesgrenzschutz überführt wurde. Dieses Gesetz will die Bundesregierung neu formulieren, über einen Vorschlag beriet vergangene Woche das Parlament. »Verdachtsunabhängige Kontrollen« aufgrund des Erscheinungsbildes sollen demnach bei Vorliegen eines angeblich »sachlichen Grunds« rechtmäßig werden. Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen warnen deshalb vor der Fortsetzung rassistischer Kontrollen.

Die Bundesregierung will dies entkräften, indem Betroffene künftig »eine Bescheinigung über die Maßnahme und ihren Grund« fordern können. Diese »Kontrollquittungen« reichen Bünger nicht. »Es ist in hohem Maße enttäuschend, dass die Bundesregierung die Reform des Bundespolizeigesetzes nicht nutzt, wirksame Maßnahmen gegen Racial Profiling auf den Weg zu bringen«, sagt die Linke-Abgeordnete zu »nd«. Polizeiliche Maßnahmen dürften nur stattfinden, wenn es einen konkreten Verdacht gibt.

»Das effektivste Mittel gegen Racial Profiling wäre es, die Befugnis zu verdachtsunabhängigen Kontrollen ein für alle Mal zu streichen«, fordert Bünger. So empfiehlt es auch der UN-Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung, der die Praxis im November untersucht hatte.

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