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Brandenburger: Kokain im Container
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen stellt die Kriminalitätslage 2022 vor
Rund sieben Prozent mehr Straftaten in Brandenburg sind eine ernste Sache, aber kein Indiz dafür, »dass das Bundesland in Kriminalität versinkt«. Das äußerte Innenminister Michael Stübgen (CDU), als er am Freitag die Kriminalitätslage 2022 präsentierte. Die Zahlen liegen auch immer noch »unter dem Vor-Corona-Niveau«, so Stübgen.
Er führte den Anstieg unter anderem auf massiv gestiegene Energie- und Lebensmittelpreise zurück. Auch wenn die belastenden Corona-Einschränkungen gefallen seien, so »blieb der Gemütszustand unverändert«. Dies sei nicht allein ursächlich für die Kriminalitätsentwicklung, habe aber »die Situation noch zusätzlich geprägt«. Frust und das Gefühl, weniger Geld in der Tasche zu haben, könnten diesen Trend Stübgen zufolge begünstigt haben. Diebstähle (plus 2646 Fälle), aber auch Einbrüche und Sachbeschädigungen haben deutlich zugenommen. Die Zunahme bei Wohnungseinbrüchen wurde von einer Aufklärungsrate begleitet, die so gering war wie seit zehn Jahren nicht mehr. Hier müsse die Polizei an sich arbeiten, ließ Stübgen wissen. Positiv immerhin, dass ein bedeutender Teil der Einbruchsversuche erfolglos abgebrochen werden musste. Polizeipräsident Oliver Stepien appellierte an Eigenheimbewohner, bei ihren Anstrengungen, die Häuser gegen Einbrüche zu sichern, nicht nachzulassen.
- Die Polizei registrierte im Vorjahr 170 204 Straftaten, das ist ein
Anstieg um 7,1 Prozent. - Die Zahl der Wohnungseinbrüche stieg von 1869 im Jahr 2021 auf 2506 im Jahr 2022.
- Die Statistik verzeichnete 14 722 Fälle von Körperverletzung, 6,7
Prozent mehr als 2021. - Die Zahl gefährlicher und schwerer Körperverletzungen wuchs von 3138 auf 3379 Fälle. Es hat 2022 fast 700 Messerangriffe gegeben, fünf Menschen kamen dabei ums Leben. af
»Brandenburg ist nicht wirklich unsicherer geworden«, betonte Innenminister Stübgen und verwies auf eine Aufklärungsrate, die insgesamt im Vorjahr mit 56,5 Prozent den höchsten Stand seit 15 Jahren erreichte. Mit der Zahl der Straftaten je 100 000 Einwohner bewege sich das Bundesland im Mittelfeld. Eine Verdopplung der Fälle im Bereich der Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht und der unerlaubten Einreise sei zu registrieren, wobei die rund 40 000 ukrainischen Flüchtlinge darunter nicht fallen, da sie im Gegensatz zu anderen Flüchtlingen ganz einfach legal einreisen dürfen.
Im Fokus stehe die Entwicklung bei der Gewaltkriminalität, insbesondere die häusliche Gewalt gegen Frauen. Stübgen erinnerte daran, dass ein Gesetz zum Schutz von Frauen den Landtag bereits in erster Lesung passiert habe. Ebenfalls deutlich zunehmend: die Gewalt gegen Polizisten. Sie sei »noch nie so hoch« gewesen wie 2022. Ein bedeutender Teil der deswegen Tatverdächtigen habe Polizisten unter Alkoholeinfluss tätlich angegriffen. Auch andere trifft es: »Feuerwehrleute werden bespuckt, Sanitäter beleidigt.«
Brandenburg machte im vergangenen und im laufenden Jahr Schlagzeilen, weil auf ein und demselben märkischen Fruchthof zweimal zentnerweise Kokain sichergestellt wurde. Dass kein Tatverdächtiger ermittelt wurde, erklärte der Innenminister so: Das Rauschgift sei von Ecuador aus mit einem Container geschickt worden. »Weil niemand darin saß, konnten wir auch niemanden verhaften.«
Eine Explosion der Fallzahlen sei bei den »Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung« zu beobachten, wobei es weniger um mehr Vergewaltigungen und Nötigungen gehe, erklärte Polizeipräsident Stepien. Aber über das Internet wurden in Größenordnungen kinderpornografische Darstellungen versendet und empfangen. Das sei ein Verbrechen, auch wenn den oft minderjährigen Tätern das zumeist nicht bewusst sei. Die Hälfte der ermittelten Tatverdächtigen ist jünger als 18 Jahre. Die Polizei hat vor diesem Hintergrund einen Kurzfilm erarbeitet, der sich ausdrücklich an Kinder und Jugendliche wendet und sie warnt: »Verbaue dir nicht deine Zukunft«, heißt es darin. »Wir nehmen dir dein Handy weg und du bekommst einen Eintrag in dein Führungszeugnis.« Die starke Zunahme der Fallzahlen führte der Polizeipräsident aber auch darauf zurück, dass die Sensibilität in der Bevölkerung zugenommen habe. Aus diesem Grunde rechne er auch mit weiter steigenden Fallzahlen.
Auch in anderen Bereichen der Kriminalität wuchs die Zahl jugendlicher und kindlicher Täter, erklärte Stübgen. Vor diesem Hintergrund bedauerte er, dass es in Brandenburg seit einigen Jahren keine geschlossenen Heime mehr für Kinder gibt, die als Mehrfach- und Serientäter auffallen. Man habe das Problem in der Regierungskoalition mehrfach diskutiert. »Die Gewahrsamsregelungen sind nicht hinreichend, um das Problem bekämpfen zu können«, beklagte Stübgen.
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