Wer nennt seinen Hund schon Hilfe?

Adrenalinkick auf der Suche nach einem versteckten See

  • Anne Hahn
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie dieser Hund wohl heißt?
Wie dieser Hund wohl heißt?

»Hilfe«, schreit jemand dumpf und undeutlich, einige Hundert Meter entfernt. »Hilfeee, Hilfeee« wabert es über das Schilf und die Grashügel am Elbdeich. Meine Freundin und ich sind ewig hergewandert, es ist heiß und spät an diesem Junitag. Wir sind an Schafen und Störchen vorbeigelaufen, wollen endlich den verheißenen See erreichen und darin schwimmen. Doch dann das. Wir schauen uns an, hasten los. Ins Gestrüpp, über Gräben und Sträucher hopsen, stolpern. Stehenbleiben. »Hörst du das auch?«, frage ich. »Ja klar«. »Das heißt doch Hilfe, oder?« Wir lauschen. Da, »Heeelpee« oder »Peter«? »Nein, Hilfe«, ganz deutlich! Ich schreie auch: »Hallo, braucht da jemand Hilfe?« Keine Antwort. Wir eilen weiter, vorsichtig. Nur nicht umknicken, schließlich müssen wir noch eine Handvoll Kilometer zurück in die Stadt wandern.

Über Wasser
Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für "nd" durch die Gewässer der Welt.

Die Hansestadt Werben ist eine der kleinsten Deutschlands und als ehemalige Johanniterkomturei in Besitz einer Riesenkirche, die auf der Wallfahrtsroute nach Wilsnack lag. Deshalb die gewaltigen Dimensionen der gotischen Backsteinkirche, die noch heute mächtig in der flachen Wische-(Wiesen)Gegend thront. Schon von weitem. Es gibt zauberhafte Cafés in Werben, ein marodes romanisches Haus, eine Ausstellungskirche, überdurchschnittlich viele Kulturinteressierte und -schaffende und ein Freibad. Dieses strahlt den Charme der 80er Jahre aus und lockt mit seinem breiten Imbiss- und Getränkeangebot auch im Vorsommer etliche Einwohner vor die Tore der mittelalterlichen Stadt. Hier habe ich meinen ersten Duschautomaten kennengelernt und nach dem Schwimmen einen Cocktail getrunken. Dazu Currywurst mit Pommes.

Wir sind einige Tage in der Stadt und nehmen an der jährlichen Kultourspur teil, Annett hat ihren Essay »Kafka im Freibad« gelesen und ich musste lachen, weil zu ihrer Schwimmbiografie, die sie dort erzählt, auch gehört, wie sie im ersten Coronajahr 500 Meter auf dem Teppich ihres Arbeitszimmers anhand imaginierter Schwimmbewegungen zurücklegte – zum Ausgleich wegen der geschlossenen Bäder.

Jetzt sind wir nach einer Handvoll Freibad-Werben-Besuche in die andere Richtung gelaufen, den Deich entlang. Ab und an glitzerte die Elbe hinter gelbem Wintergras. Auf ihrem Handy gibt es den See nicht, den wir suchen, in meiner Karten-App schon, aber ich habe keine mobilen Daten. Annett vermutet ihn zwischen Kuhgraben und Tauber Aland, nun waten wir durch hohes Gras und feuchte Furchen, lauschen dem letzten Hilferuf nach.

Wir kommen an eine Lichtung, an deren Ende ein Mann und etwas Kleines gerade um die Ecke biegen. Der Mann ist schlaksig und trägt Shorts. Das Kleinere von beiden wirkt wie ein Hase, der Haken schlägt. »Muss ein Hund gewesen sein«, beruhige ich Annett, die einen Moment später aus dem Gebüsch auftaucht. Sie schaut nach rechts auf den See, den ich noch gar nicht wahrgenommen habe. Wolkenüberhangen und pollenüberweht liegt er ruhig an niedrigen Baumreihen und spiegelt alle Farbpracht an dunkler Schnittkante. Ein Traum. Annetts prompte wie blitzgescheite Diagnose: »Keine Ringe auf dem Wasser, da ist niemand untergegangen.« Gemeinschaftsbeschluss: Rein da.

Nach ausgiebigem Schwimmen und Bewundern der Örtlichkeit umrunden wir den See kirchturmwärts und treffen auf ein blutjunges Pärchen, deren Campingbus sich ins Gebüsch schmiegt. Sie schauen erschreckt, wir grüßen freundlich und im Weiterlaufen hören wir, wie sie halblaut einen just auftauchenden katzengroßen Hund zu sich rufen: »Pepe, komm!« Doch verhört.

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