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Schön und frei

Plattenbau. Die CD der Woche: »Wir sind schön« von Jens Friebe

  • Luca Glenzer
  • Lesedauer: 3 Min.
Ja, wir sind so schön, wie dieses Albumcover
Ja, wir sind so schön, wie dieses Albumcover

Es gehört schon eine gewisse Chuzpe dazu, als dezidiert Linker in Zeiten explodierender Lebenshaltungskosten, apokalyptischer Klimaszenarien und eskalierender Kriege auf den Wert der Freiheit zu pochen, wenn doch die einzige Freiheit der Gegenwart offensichtlich immerzu nur die Freiheit der Reichen und Holzköpfe meint. Umso wichtiger vielleicht, die Deutungshoheit dieses Begriffes wieder zurückzuerlangen. Vorhang auf für Jens Friebe.

Plattenbau
Die CD der Woche. Weitere Texte unter: dasND.de/plattenbau

Denn dieser hat seit jeher ein Händchen für das Prägnante, Schöne und Wahre und so kurzerhand die erste Single seines neuen Albums »Frei« genannt. Ob sie Christian Lindner zu einem flotten Tanzduett mit wahlweise Porsche-CEO Oliver Blume oder einem anderen Schönreichen veranlasst? Das darf bezweifelt werden. »Frei ist nur, wer nichts zu verlieren hat« ist eine der eingängigen Zeilen dieses kleinen Hits, und appelliert – so eine mögliche wie forsche Interpretation – an die große Masse der Besitzlosen, die im kommenden Winter das komplette Einkommen für basale Lebenshaltungskosten blechen darf.

Im von Aida Baghernejad verfassten Ankündigungstext zu »Wir sind schön«, so der anmutige Titel der neuen Friebe-Platte, heißt es, das Album sei eine deutliche Absage an alle, die längst dem Zynismus und den poppig-apokalyptischen Endzeiterzählungen verfallen sind. Was ehrlicherweise auch allzu einfach und fast schon einladend ist in der gegenwärtigen Zeit. Doch einfach ist für den schönen schöngeistigen Wortakrobaten Friebe ein bisschen zu billig und abgedroschen. Deshalb hält er aller Unwahrscheinlichkeiten zum Trotz an der Möglichkeit von Besserung und Befreiung fest. Was auch sonst sollte einem morgens noch die Kraft spenden, das Bett zu verlassen und für das Gute zu streiten?

Das Händchen für lyrische Hausfassadenparolen sind das eine bei Jens Friebe, das andere ist sein Gespür für griffige und doch nie cheesy-abgedroschene Popmelodien. Dass bei ihm beides in eins fällt, ist ein wahres Glück für die hiesige Poplandschaft, dessen sich zwar nicht viele, aber immerhin manche bewusst sind. Die aber werden auch »Wir sind schön« zu lieben wissen, wie sie wohl auch sonst jedes der vorherigen sechs Alben zu lieben gewusst haben, und es bleibt zu hoffen, dass auch noch ein paar andere dazukommen. Denn die ohnehin schon Bekehrten zu bespaßen, ist zwar nett, aber nett ist auf Dauer vielleicht auch nicht so befriedigend.

Um in den Friebe-Algorithmus einzutauchen, ist es jedenfalls nie zu spät, und das neue Album ist allemal eine gute Gelegenheit, hält es doch all das ein, was ihn seit seinem fulminanten Debüt »Vorher Nachher Bilder« aus dem Jahr 2004 als Musiker auszeichnet: Catchy Popsongs, eine kreative und bisweilen ausgeklügelte Instrumentenarbeit und diese irgendwie seltsam-nasale Stimme, die an den Popakademien dieses Landes mit Sicherheit niemals als Vorzeigepopstimme herhalten würde und trotzdem – oder wahrscheinlich gerade deswegen – zu berühren weiß. Eine echte Charakterstimme eben, wie man in solchen Fällen im Popdiskurs zu sagen pflegt. Oder wie die Stimme eines alten Freundes, mit dem man gar nicht mal mehr so regelmäßig im Austausch steht und dessen Anwesenheit trotzdem Vertrautheit auf Knopfdruck herzustellen vermag.

Und was gibt es Schöneres, als wenn ein vertrauter Freund einem wahlweise abends in der U-Bahn oder beim routinierten Wohnungsputz am Samstagmorgen beschwingte Songs wie »Am Ende aller Feiern« und »Das Nichtmehrkönnen« oder ein hymnisch-agitatorisches Stück wie »Sing it to the converted« vorsingt? Man müsste schon wirklich lange nachdenken, bis einem darauf eine gute Antwort einfiele.

Jens Friebe: »Wir sind schön« (Staatsakt)

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