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Für die sanfte Apokalypse
Plattenbau. Die CDs der Woche von B. Fleischmann, Sam Prekop & John McEntire und Kuedo
Hier sind drei Alben mit Synthie-Plucker-Elektronik, in der man schön versinken kann. Das erste ist das fluffigste. »Music for Shared Rooms«, die neue Platte des Wiener Musikers B. Fleischmann, versammelt Tracks aus den letzten Jahren, die für Film- und Theaterproduktionen aufgenommen wurden. Das Album wirkt dementsprechend nicht so sehr wie aus einem Guss wie die vorherigen zehn Fleischmann-Alben, aber ist doch atmosphärisch konsistent: immer melancholische bis leicht wehmütige Synthie-Flächen und Loops, über arg niedlichen Beats angeordnet. In dieser Musik ist beides zugleich präsent: Deepness und der Zauber, der entsteht, wenn jemand mit ungebrochen kindlicher Begeisterung mit den Geräten spielt. Wer erstmal nur reinhören möchte: In »Brenne«, dem zweiten Stück auf diesem Doppelalbum, sind die Qualitäten dieser Musik besonders dicht beisammen.
Abstrakter sind John McEntire und Sam Prekop als Duo auf ihrem ersten gemeinsamen Album »Sons Of« zugange. Beide spielen schon seit Ewigkeiten in der Avant-Pop-Band The Sea & Cake zusammen, McEntire ist hauptberuflich Schlagzeuger bei Tortoise, der Band, die Mitte der Neunziger Postrock mitdefinierte. Auf »Sons of« schließen die beiden allerdings nicht an ihre bisherigen Kooperationen an, sondern an die spröde-verträumten Analog-Synthie-Solo-Alben, die Sam Prekop in den letzten Jahren rausgebracht hat. Der Sound klingt spartanisch, aber nicht nach Lo-Fi, beide Musiker improvisieren über einen Loop und bringen den Track vom Ausgangspunkt in immer neue Gefilde. Der durchgehende Beat wirkt bewusst lieblos gesetzt, was den interessanten Effekt ergibt, dass er, obwohl laut, komplett aus dem Zentrum der Musik rückt und noch funktional wirkt, als ein Gerüst. An dem wird dann eine streckenweise ziemlich abgespacete Kraut-Elektronik entwickelt, der man den Spaß anhört, den das gemeinsame oder abwechselnde Knöpfchendrehen und Tastendrücken in diesem Fall gemacht haben wird.
Das neue Album von Kuedo, »Infinite Window«, ist da atmosphärisch noch einmal anders gelagert. Weniger pluckernd und ausgesprochen unterkühlt. Synthesizer, die 80er-Jahre-Science-Fiction-Phantasien aufrufen, die Bilder von »Blade Runner« zum Beispiel, mit Plastikbeats unterlegt, mehr noch als auf Kuedos bislang bestem Album, dem 2016 erschienenen »Slow Knife«. Auch auf »Infinite Window« wieder: Musik für eine sanfte Apokalypse, falls es so etwas gibt. Das Gröbste ist gelaufen, man fährt mit dem Mad-Max-Mobil nachts durch die Ruinen der Städte – dabei kann man dann prima dieses Album hören. So in etwa. Besonders hübsch ist »Infinite Window«, wenn die Musik hastig wird und die Beats und Loops eilig drauflos stolpern. Hübsch, weil sich Kuedos Soundkonzept auch in solchen Momenten eine angenehme eskapistische Abgeklärtheit bewahrt.
B. Fleischmann: »Music for Shared Rooms« (Morr/Indigo)
Sam Prekop & John McEntire: »Sons Of« (Thrill Jockey/Indigo)
Kuedo: »Infinite Window« (Brainfeeder/Rough Trade)
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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