Vom Schmuddelkind zur Vorzeigeregion

Neue Werbekampagne für Brandenburg – mehr als Natur und Stille

  • Matthias Krauß, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Realität ist wichtig, Image ist wichtiger. In den Regierungsoberstübchen hat man sich erneut darüber Gedanken gemacht, wie sich Brandenburg vor der Außenwelt präsentieren könnte. »JWD« ist das neue Grundmotto der am Montag vorgestellten Kampagne, wobei das nicht für »Janz weit draußen« stehen soll, sondern für »Jeder will dahin«.

Er wolle es mit »märkischer Zurückhaltung« vortragen, hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vor einigen Tagen bei einem Besuch der Landesgartenschau formuliert: Hinter dem Bundesland liege eine »Riesenerfolgsgeschichte«. Brandenburg sei das Land mit dem höchsten Zuzug. Am Montag wurde bekannt, dass im vergangenen Jahr rund 17 000 Menschen mehr nach Brandenburg zogen, als das Land verließen. Dies war in den Jahren nach der Wende völlig anders. Beileibe nicht nur das Berliner Umland profitiere vom Zuzug, freute sich Woidke. Zuwächse seien nachweisbar auch in der Prignitz und im Landkreis Elbe-Elster. Insgesamt habe man mit 83 000 Neu-Brandenburgern noch 3000 mehr begrüßen können als im Jahr 2020.

Deshalb müsse das Bundesland in seiner Werbestrategie darauf setzen, »als Gewinnerregion wahrgenommen« zu werden, verkündete Staatssekretär Benjamin Grimm. Dies sei eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Inzwischen seien mehr als 40 000 Arbeitsplätze frei. Die Zahl der Zuzüge sei zum Glück stark gestiegen, aber dennoch »nicht ausreichend«. In wachsendem Maß würden Lehrstellen nicht besetzt.

Ob dies nicht damit zusammenhänge, dass die Einkommen in Brandenburg nach wie vor vergleichsweise gering seien? Auf diese Frage ging Grimm nicht direkt ein. Einst warb eine Landesregierung aus SPD und CDU offen um Investoren, indem sie die niedrigen Löhne als »Standortvorteil« geltend machte. Nun aber werde man für den »unschlagbaren Mix aus Natur und Freiraum, mit hoher Attraktivität für Fachkräfte, mit verfügbaren Flächen und moderner Industrie« werben, erklärte Grimm.

Vor vier Jahren habe man daran anknüpfen wollen, dass Brandenburg vor allem für seine Seen und Wälder bekannt sei, daher das 2018 eingeführte Motto der Landeswerbung: »Brandenburg. Es kann so einfach sein.« Es sei deprimierend gewesen, dass diese Attribute mehr oder weniger alles gewesen seien, womit Befragte außerhalb Brandenburgs das Land verbinden konnten, sagte Grimm. Kaum jemand habe damals Brandenburg wegen dessen Karriere- oder Studienangeboten wahrgenommen. Nun aber könne man dies weiterentwickeln, denn der unbestreitbare wirtschaftliche Erfolg sei hinzugetreten. Das Land habe sich in die erste Liga der dynamischsten und attraktivsten Regionen Deutschlands vorgearbeitet.

Bald werden Plakate zu sehen sein mit den Aufschriften »Standort-Kurort-Wakeboard«, »Träumer-Tesla-Tischler«, »Work-Life-Balance« und »Liberté-Egalité-Dorfkneipé«. Die Macher der Kampagne wollen die »starke Sehnsucht« nach einem Leben auf dem Lande bedienen und die »deutliche Abgrenzung zur Großstadt« betonen. Unter der Adresse www.es-kann-so-einfach-sein.de »haben jetzt Hiergebliebene, Hergezogene oder vor Sehnsucht Zurückgekehrte mehr Raum für ihre Brandenburg-Gefühle«, heißt es.

Dass gerade die Dorfkneipe als Erscheinung des vorigen Jahrhunderts bezeichnet werden muss und Wirte in allen Landesteilen darüber klagen, dass junge Leute und Fachkräfte eben gerade nicht aufs Land zögen, muss ausgespart bleiben.

Thomas Braune, Referatsleiter Landesmarketing, sprach bei der Präsentation von einem »wunderbaren Feierabend«, den man in Brandenburg haben könne. Mit 800 000 Euro sei der Etat des
Landesmarketings so gering wie in keinem anderen Bundesland. Sachsen gebe dafür fünf Millionen Euro aus. Kommentar

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