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Sehnsucht, unstillbar
Vor 50 Jahren veröffentlichten die Eagles ihr Debütalbum
Natürlich kann man es sich einfach machen und sagen: Rock ist, wenn Gitarren sägen. Bloß liefert die Praxis hinreichend Gegenbeispiele. Bands wie Suede, Pulp, Blur und Oasis schrammelten und schrubbten auf ihren elektrischen Klampfen, was das Zeug hielt, und gelten dennoch als Britpop. Eine Formation wie Tortoise hingegen, die auf Lead- und Rhythmusgitarre komplett verzichtete, läuft unter dem Etikett Post-Rock. Seltsam, seltsam. Vergessen wir also mal die Sache mit den Gitarren und wenden uns einer Band zu, die in ihren besten Momenten Pop in Reinkultur verkörperte: The Eagles aus Los Angeles. Vor 50 Jahren veröffentlichten sie ihr Debütalbum, das genauso hieß wie sie.
Aber waren die Eagles Pop? Natürlich. Rockmusik beschäftigt sich mit den Realitäten des Lebens. Dieses ist – wir haben es geahnt – verdammt hart. Und ungerecht sowieso. Denn irgendwas fehlt immer: Geld, ein Job, eine Liebe, Freunde, Aufregung, Erregung, die große Freiheit, die guten alten Zeiten und so weiter. Bruce Springsteen weiß ganze Songbücher davon zu erzählen.
Dagegen hilft nur der Rausch. Ob der in der Kneipe, im Bett oder auf der Route 66 stattfindet, ist zweitrangig. Und wenn er nicht stattfindet, kann man, statt der Lust, wenigstens den Ärger rausbrüllen und sein Instrument traktieren. Womit wir – zugegebenermaßen – wieder bei den wütenden Stromgitarren wären.
Pop hingegen ignoriert die Wirklichkeit. Er handelt nicht von dem, was ist, sondern davon, was sein könnte. Er beschreibt Träume und Sehnsüchte. Und in seinen großen Momenten gelingt ihm dies so überzeugend, dass der Hörer in den Träumen und Sehnsüchten der Musiker seine eigenen Träume und Sehnsüchte wiedererkennt.
Womit wir wieder bei den Eagles wären. Die führten in den 70er Jahren das typische Großkotzleben von Rockstars – und wurden dabei immer melancholischer. Denn all die Drogen und Groupies, all die Partys und Orgien (die Ex-Gitarrist Don Felder in seinem Buch »Heaven and Hell: My Life in the Eagles« anschaulich beschreibt) vermochten das Verlangen nach einem anderen, irgendwie intensiveren Leben nicht zu stillen. Aus den Zeilen von »One of these nights«, einem ihrer größten Hits, spricht, nein, brüllt 1975 der Wunsch nach Erlösung: »Einer dieser Träume. Einer dieser verlorenen und einsamen Träume. Jetzt werden wir jemanden finden. Oh, jemand, der wirklich schreit. Ich bin auf der Suche nach der leibhaftigen Tochter des Teufels. Ich bin auf der Suche nach einem Engel in Weiß. Ich habe auf eine Frau gewartet, die ein bisschen von beidem ist. Und ich kann sie spüren, aber sie ist weit und breit nicht in Sicht.«
Solch wehmütige Worte verwundern wenig bei einer Band, die auf ihrem Debütalbum im Song »Most of us are sad« programmatisch erklärt hat: »Die meisten von uns sind traurig, keiner lässt es sich anmerken.« Viele weitere Klagelieder sollten folgen. Von »Desperado« über »New kid in town«, »Hotel California« bis zu »I can’t tell you why« 1980 zieht sich eine Spur der Sehnsucht. Bittersüße Melodien, himmelwärts strebende mehrstimmige Gesänge – schöner als die Eagles konnte niemand leiden. Und wer genau hinhört, wird gewahr: Selbst die Gitarren, sie rocken nicht mehr, sie schmachten nur noch.
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