Corona und die Schweinepest

Eingeschränkte Bewegungsfreiheit hilft gegen Tierseuche, aber nicht mehr lange

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben nebenbei auch dazu geführt, die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Brandenburg etwas zu bremsen. Durch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die auch den Grenzübertritt nach Polen betraf, konnte eine »explosionsartige Ausbreitung verhindert« werden, sagte Landesbauernpräsident Henrik Wendorff am Montag bei einer Anhörung im Agarausschuss des Brandenburger Landtages. Das war aber auch die einzige gute Nachricht in einer Reihe düsterer Situationsbeschreibungen und Vorhersagen.

Für die Interessengemeinschaft der Schweinezüchter Brandenburgs sagte der Vorsitzende Hans-Christian Daniels, dass sich die Verluste durch die faktische Unmöglichkeit der Vermarktung auf 70 bis 75 Euro pro Schwein belaufen. Schlachthöfe weigern sich, die Tiere anzunehmen, längst haben die Schweine mehr als das Schlachtgewicht, erklärte Daniels. Platz für die nachwachsenden Ferkelgenerationen sei deshalb nicht vorhanden, tierschutzgerechtes Halten werde schwierig bis unmöglich.

Ihm sei bekannt, dass bislang fünf Unternehmen aufgegeben haben, sagte Daniels. Wenn im September der Versicherungsschutz für andere Betriebe ausläuft, rechne er mit weiteren Schließungen. Ein neuer Versicherungsschutz sei entweder nicht mehr zu erlangen oder nur zu deutlich schlechteren Konditionen. Hinzu komme die deprimierende Aussicht eines weiteren Preisverfalls für Schweinefleisch. Daniels sprach sich für mehr Förderung und Entschädigung für Betroffene der Schweinepest aus. Derzeit gibt es im Verlauf von drei Jahren höchstens 20 000 Euro. Daniels wies darauf hin, dass die Freilandhaltung ein deutlich höheres Ansteckungsrisiko beinhaltet. Zum einen könnten Füchse, Marder und Ratten trotz doppelter Umzäunung eindringen, zum anderen sei im Auslaufbereich auch die Übertragung der hoch ansteckenden und für die Schweine fast immer tödlichen Krankheit durch Vögel möglich. Dass Futter mit schwerer Technik herangefahren werden müsse, stelle ein weiteres Risiko dar.

Bisher wurden in Brandenburg 1013 Fälle von ASP festgestellt. Alle betrafen Wildschweine. Hausschweine hat es noch nicht erwischt. Lockerungen der Corona-Maßnahmen werden die Gefahr der Verbreitung der Schweinepest erhöhen, meinte Bauernpräsident Wendorff. Er forderte den konsequenten Abschuss der Wildschweine zur Schaffung eines »wildschweinfreien Korridors«. Um das zu erreichen, seien Prämien für die Jäger nötig. Man sollte ihnen auch Geld geben, um Schalldämpfer anzuschaffen. Wendorff geht davon aus, dass sich die Bekämpfung der Schweinepest bis weit über das Jahr 2022 hinaus hinziehen wird.

Der Verlust des asiatischen Marktes durch das erlassene Exportverbot ist für die Schweinehalter besonders schmerzlich, weil China, Korea, Japan und Singapur früher gern Füße, Ohren, Speck, Fett und Innereien abgekauft haben, für die es in Europa eher keine Verwendung gebe, erklärte Albert Hortmann-Scholt von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Die führende Rolle der Deutschen beim Schweinefleischexport übernahmen inzwischen Spanien und Dänemark. Die Betriebsaufgabe wegen ASP sei deshalb dramatisch, weil je Fall im Schnitt sieben Beschäftigte ihre Arbeit verlieren. Für Brandenburg komme erschwerend hinzu, dass es nur noch einen einzigen großen Schlachtbetrieb in Perleberg gebe. »Neuruppin schließt definitiv seine Pforten.« Daher müssten zwei Drittel der märkischen Schweine zum Schlachten über die Grenzen des Bundeslandes gefahren werden.

Für den Bundesverband der Schweinehalter sprach Nora Hammer. Sie erläuterte, dass im ASP-Kerngebiet in Ostbrandenburg 16 Schweinehalter mit den höchsten Restriktionen kämpfen, 177 seien mit den ebenfalls schwierigen Bedingungen für »gefährdete Gebiete« konfrontiert. Hammer plädierte für ein zeitweises Verbot der Freilandhaltung. Alle Schweine müssten so lange in Ställen untergebracht werden, wo sie vor einer Ansteckung besser geschützt werden können.

Dass die Freilandhaltung auch in Seuchenzeiten möglich sein müsse, verlangte hingegen Heike Kruspe vom Verein Bioland Ost mit Blick auf die artgerechte Haltung. Ohne Freiland- und Auslaufhaltung kein Bio-Schweinefleisch, argumentierte Kruspe.

Die zeitweilige Unterbringung aller Schweine in Ställen »wird zu diskutieren sein«, erwiderte Agrarminister Axel Vogel (Grüne). Für kleine Zuchtbetriebe gebe es inzwischen Stilllegungsprämien, wenn sie sich verpflichten, nach 24 Monaten den Betrieb wieder aufzunehmen. »Das können wir für große Betriebe nicht machen.« Doch stehe er mit dem Bundesagrarministerium in Verhandlungen, um auch dort den »temporären Ausstieg zu unterstützen«, sagte Vogel. Er sicherte den Jägern ihre Abschussprämien zu. Sie erhalten auch Prämien, wenn sie tote Schweine finden und abliefern. Vogel glaubt daran, dass die Schweinepest in Deutschland ausgerottet werden kann. Aber: »Wir schaffen das nicht auch für Polen.« Für Vogel kommt es deshalb auf einen wirksamen Zaun entlang von Oder und Neiße an.

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