Was wird nun aus den noch ausstehenden Gerichtsverfahren?

neues Wohnungseigentumsgesetz mit Lücke

  • Marco Krefting
  • Lesedauer: 3 Min.

Zahlreiche Wohnungsbesitzer in Rechtsstreitigkeiten können aufatmen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sie davor bewahrt, dass ihr Verfahren für die Katz' und das nötige Geld für Anwälte umsonst investiert war.

Trotz einer Gesetzesreform können sie erst einmal im Alleingang Prozesse fortführen, auch wenn sie Mitglied einer Eigentümergemeinschaft sind. Das entschieden die Richter*innen des BGH am 7. Mai 2021 (Az. V ZR 299/19).

Nach einer Reform des Wohnungseigentumsgesetzes aus dem Jahr 1951, die seit Dezember 2020 in Kraft ist, kann eine Eigentümergemeinschaft nun nur noch als Ganze gemeinsame Rechte einklagen. Einzelne Eigentümer dürfen solche Ansprüche nicht mehr durchsetzen. Damit stellte sich die Frage, was mit schon laufenden Verfahren einzelner Wohnungseigentümer ist.

Der fünfte Zivilsenat kam zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber diese Regelungslücke nicht erkannt habe. Allerdings beabsichtigte er nach Einschätzung des BGH auch nicht, dass zahlreiche Prozesse nutzlos waren und nun erheblicher Aufwand sowie viele zusätzliche Kosten entstehen, sollten alle noch einmal aufgerollt werden müssen.

Daher entschieden die obersten Zivilrichter, dass die Kläger ihre teils jahrelangen Prozesse weiterführen können - solange die Eigentümergemeinschaft nicht aktiv einschreitet und dies schriftlich dem jeweiligen Gericht mitteilt. Das könnte zum Beispiel dann der Fall sein, wenn die Gemeinschaft das Verfahren selber als Partei übernehmen möchte. Oder aber, wenn sie dem Wohnungseigentümer die Fortführung des Verfahrens untersagen will, etwa weil sie den Konflikt auf andere Weise als vor Gericht beilegen will.

Wichtig ist hierbei zu beachten, dass die Verfahren vor dem 1. Dezember 2020 - als das neue Gesetz in Kraft trat - bei einem Gericht anhängig waren. Weder bei Haus & Grund Deutschland noch bei Wohnen im Eigentum (WiE) ist bekannt, wie viele solcher Klagen auf der Kippe standen. Das Problem beschäftigte aber beide Seiten.

Für Rechtsreferentin Julia Wagner von Haus & Grund Deutschland ist es wichtig, dass der Kläger auch bei Übernahme des Verfahrens durch die Gemeinschaft nicht auf den Kosten sitzen bleibe. WiE-Rechtsreferent Michael Nack nannte die Entscheidung gut. Den Verlust der Direktansprüche der Eigentümer durch die Gesetzesänderung sehe der Verein WiE generell kritisch.

Musterfall vor dem BGH

Zu diesem Problem verhandelte der BGH einen Musterfall aus Baden-Württemberg, der das Ende von vier Zypressen besiegelte. Ein Mannheimer stritt schon seit Längerem mit seinen Nachbarn wegen der Pflanzen an der Grundstücksgrenze. Sie sollten gefällt oder wenigstens auf eine Höhe von 3,50 Metern zurückgeschnitten werden.

In den Vorinstanzen war seine Klage erfolgreich. Auch die BGH-Richter sahen ihn im Recht. Sie wiesen die Berufung des Nachbarn zurück, denn der Kläger habe einen Anspruch auf Beseitigung der Zypressen. dpa/nd

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