Hohes Alter des Mieters allein ist kein Schutz
räumungsstopp gerechtfertigt oder nicht?
In den seltensten Fällen ist die Sache eindeutig; tatsächlich haben meinst Mieter und auch Vermieter gute Gründe und schützenswerte Interessen vorzubringen: Der Vermieter, der selbst versucht, sich seine Eigentumswohnung durch eine teure Finanzierung zu ermöglichen, und der Mieter, der schon lange in der Wohnung lebt, aber aus unverschuldeten Gründen die Miete nicht aufbringen kann.
Mit einem solchen Fall musste sich auch das Landgericht Limburg an der Lahn (Az. 7 T 116/20) beschäftigen. Auf die dort festgestellten Abwägungskriterien verweist die Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien vom Deutschen Anwaltverein (DAV).
Für das betroffene Einfamilienhaus bestand ein rechtskräftiger Räumungstitel. Der Mieter beantragte dennoch die Einstellung der Zwangsvollstreckung. Begründet wurde dieser Antrag zum einen mit einer latenten Suizidgefährdung, die auch ärztlich attestiert werden konnte. Ebenso war nachgewiesen, dass sich der Mieter seit 2007 in psychologischer Behandlung befindet. Zum anderen könne aufgrund des hohen Alters von 70 Jahren dem Mieter kein Umzug mehr zugemutet werden.
Das Amtsgericht sah in diesen Argumenten keinen ausreichenden Grund, die Zwangsräumung einzustellen. Gegen diese Entscheidung legte der Mieter Beschwerde ein, über die nunmehr das Landgericht zu entscheiden hatte.
In seinem Beschluss bestätigt auch das zuständige Landgericht die vorherige Entscheidung und wies damit einen Räumungsschutz zurück. Es sei zunächst die Aufgabe des Mieters, Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um den mit einer Räumung verbundenen Belastungen zu begegnen.
Die Mieter hätten sich auf die Räumung vorbereiten können und müssen, weil bereits seit mehr als einem Jahr bekannt war, dass das Haus geräumt werden muss. Zudem sei nicht nachgewiesen, dass die Räumung tatsächlich ein Auslöser für die attestierte latente Suizidgefahr sein kann.
Auch das hohe Alter des Mieters konnte die Richter nicht überzeugen, da dieses alleine keine tragfähige Entscheidungsgrundlage sei. Es sei durchaus naheliegend, dass es 70-jährige Mieter gibt, die durchaus in der Lage sind, einen Umzug mit entsprechender Unterstützung gut zu bewerkstelligen. Es hätte hier unbedingt auf die konkreten Beeinträchtigungen Bezug genommen werden müssen. Die Bezugnahme und die Nennung eines Lebensalters lassen gerade keine eindeutigen Rückschlüsse zu.
So kam das Landgericht schließlich zu der Entscheidung, dass der Mieter das Haus räumen muss. DAV/nd
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