Mehr Abschiebungen nach Guinea geplant

Flüchtlingsrat NRW kritisiert »verwerfliches« Vorhaben

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Trotz Corona-Pandemie ist für Dienstag in Nordrhein-Westfalen wohl eine Sammelabschiebung in das westafrikanische Guinea geplant. Nach Angaben der Gruppe Guinée Solidaire könnten mindestens 20 Schutzsuchende betroffen sein. Darunter möglicherweise auch Jugendliche oder Beschäftigte mit fester Verankerung im Land: Laut WDR erhielt jüngst etwa Daouda G. einen Ausreisebescheid - der Geflüchtete lebt in Viersen, spricht Deutsch und macht im Mönchengladbacher Sanitärunternehmen Ludwig Steup eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker. Seit nun bereits sieben Jahren ist er in Deutschland. Eigentlich sollte auch er in den kommenden Tagen abgeschoben werden, die Stadt Viersen hatte ihm aber offenbar angeboten, dass er noch bis Juni bleiben dürfe, um die Zwischenprüfung seiner Ausbildung zu absolvieren. Inwiefern er darauf eingehen konnte, ist unklar - ebenso, ob weitere Jugendliche mit Ausbildungsplätzen von der Abschiebung betroffen sind.

Für Montagabend war in Köln eine Kundgebung gegen das Vorhaben geplant. Auch Nichtregierungsorganisationen kritisierten die Sammelabschiebung scharf. »Nordrhein-Westfalen fährt ohnehin eine rigide Abschiebepraxis und hat auch während Corona keine Pause damit gemacht«, sagte Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW, gegenüber »nd«. Dieses Jahr könnte hinsichtlich der Abschiebungen ein »Rekordjahr« werden, zudem werde auch in mehr Länder abgeschoben als in den Vorjahren. Nach Guinea soll es fortan offenbar regelmäßige Sammelabschiebungen geben. Laut der NGO leben rund 3800 ausreisepflichtige Menschen aus dem Land in Nordrhein-Westfalen, bundesweit schätzungsweise 5500. »Gerade in dieser Situation ist es besonders verwerflich und auch unverantwortlich, Schutzsuchende verstärkt nach Guinea abzuschieben«, so Naujoks. Die Landesregierung agiere in ihrer Flüchtlingspolitik allgemein sehr widersprüchlich, erklärte die Geschäftsführerin weiter. Einerseits wolle man nach eigener Aussage Schutzsuchenden Chancen bieten, andererseits werde aktuell auf die Ausländerbehörden massiv Druck ausgeübt, damit diese mehr Menschen abschieben.

Für diesen Zweck gibt es auch Kooperationen mit dem Ausland. In den vergangenen Monaten hat sich eine Delegation aus Guinea in Nordrhein-Westfalen aufgehalten. Sie unterstützt die Behörden bei der Identifizierung von Schutzsuchenden, stellte Ausweispapiere aus - und bereitete so auch Ausweisungen mit vor. »Ebola ist in Guinea zurück, die Corona-Zahlen steigen, die menschenrechtliche Lage ist weiter katastrophal - warum will die Landesregierung in NRW um jeden Preis abschieben?«, fragte jüngst Aissatou Cherif Baldé, die Vorstandsvorsitzende von Guinée Solidaire, in einer Pressemitteilung. Die Gruppe forderte die Landesregierung auf, Abschiebeflüge nach Guinea einzustellen und ihre Unterstützung bei den Identitätsermittlungen zu beenden. Dazu wurde die Legitimation und Kompetenz der Delegation infrage gestellt. »Die Expertenkommission hat nach hiesigem Kenntnisstand keinerlei Ausbildung, um die Herkunft der Geflüchteten zu bestimmen«, so Cherif Baldé. Es sei zudem »insgesamt zweifelhaft«, ob die vorgenommene Identifikation rechtsstaatlichen Anforderungen genüge.

Laut Guinée Solidaire soll kürzlich ein Geflüchteter im Abschiebegefängnis Büren, Amadou Tidiane D., versucht haben, seine Zelle in Brand zu setzen. »Die Menschen aus Guinea, die aktuell in Abschiebehaft in Büren sitzen, bezeichnen die Haft und das Gefängnis als einen Ort der Folter und der Diskriminierung«, erklärte die Unterstützungsgruppe.

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