Ein offenes Ohr für Immobilienkonzerne

Bundesregierung trifft sich regelmäßig mit großen Vermietern

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich ist derzeit die große Stunde der Kontaktbeschränkungen. Doch die Bundesregierung trifft sich trotzdem gerne mit der Immobilienbranche. Vergangenes Jahr kam es zu mindestens 15 Gesprächen zwischen der Bundeskanzlerin, Bundesminister*innen oder Staatssekretär*innen mit Vertreter*innen der zehn größten Immobilienkonzerne. Dies geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage der stellvertretenden Vorsitzenden und wohnungspolitischen Sprecherin der Linke-Bundestagsfraktion, Caren Lay, hervor, die »nd.derTag« vorliegt. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres konnten die Konzerne schon viermal ihre Anliegen den höchsten Stellen der Politik vortragen. Zum Vergleich: 2019 kam es zu elf solcher Gespräche.

Zu den zehn größten Immobilienkonzernen gehört neben Vonovia, LEG Immobilien, Vivawest Wohnen und TAG Immobilien unter anderem auch die Deutsche Wohnen, die bekanntlich derzeit in Berlin im Zentrum eines Volksentscheids zur Enteignung großer Immobilienkonzerne steht. »Meine Anfrage belegt, dass die Immobilienkonzerne in den Ministerien ein- und ausgehen. Die Konzerne bekommen den Bauminister und seine Staatssekretäre öfter zu Gesicht als wir Mitglieder des Bauausschusses«, erklärt Linke-Politikerin Lay.

Insgesamt kam es in dieser Legislaturperiode schon zu mindestens 37 Gesprächstreffen zwischen der Bundesregierung und Vertreter*innen der zehn größten Immobilienkonzerne in Deutschland. Dabei bezieht sich das Bundesinnenministerium in seiner Antwort nur auf Treffen, zu denen Unterlagen und Aufzeichnungen vorhanden sind. »Diesbezügliche Daten sind somit möglicherweise nicht vollständig«, heißt es in der Antwort des Ministeriums auf die Frage von Lay. Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher geführter Gespräche einschließlich Telefonate bestehe nicht, »und eine solche umfassende Dokumentation wurde auch nicht durchgeführt«. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung sich nicht nur mit den Konzernen direkt, sondern auch mit den Lobbyverbänden der Branche trifft. So traf sich die Bundesregierung seit Beginn der Legislatur 123 Mal mit den großen Immobilienverbänden.

»Das offene Ohr der höchsten Ebenen der Bundesregierung für die Immobilienlobby trägt zur mutlosen Wohnungspolitik bei«, kommentiert Lay die Treffen. In Zeiten des Mietenwahnsinns dürfe die Regierung sich nicht länger von der Immobilienlobby treiben lassen, sondern müsse endlich Politik für Mieterinnen und Mieter machen.

Wie erfolgreich die Branche mit ihrer Einflussnahme ist, zeigt ein Gesetzgebungsvorgang aus dem vergangenen Jahr: Im Juni legte das Bundesinnenministerium einen Referentenentwurf vor, dem zufolge die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen deutlich erschwert worden wäre. »Die Regelung führt einen Genehmigungsvorbehalt ein, um den zuständigen Stellen zu ermöglichen, negative Auswirkungen von Umwandlungen auf den Mietwohnungsmarkt zu begrenzen«, hieß es damals in dem Entwurf. Zwischen Juni und Oktober traf sich die Bundesregierung daraufhin mehrfach mit Vertreter*innen der Immobilienlobby, wie aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervorging. Als Bundesinnen- und bauminister Horst Seehofer danach eine neue Version des Gesetzentwurfs vorlegte, war die Sache wieder entschärft.

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