Nachforschung in »industriellem Ausmaß«

Ikea-Manager wegen Bespitzelung von Mitarbeitern und Gewerkschaftern in Frankreich vor Gericht

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Dutzend ehemaliger Spitzenmanager und Filialleiter von Ikea France sowie ein Detektiv und vier Polizisten stehen seit Montag in Versailles bei Paris vor Gericht wegen Bespitzelung von Bewerbern, Mitarbeitern des schwedischen Einrichtungshauses und vor allem von Gewerkschaftsvertretern. Das von ihnen ab 2003 aufgebaute Spionagesystem war 2012 durch Enthüllungen in den französischen Medien und eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft aufgeflogen.

Im Zuge der Veröffentlichungen wurde zunächst der Mail-Austausch zwischen Jean-François Paris, dem Sicherheitschef von Ikea France, und Jean-Pierre Fourès, dem Direktor einer Privatdetektiv-Agentur, publik. Demnach übermittelte der Ikea-Manager die Namen, Geburtsdaten und Sozialversicherungsnummern von »Verdächtigen« und beauftragte die Agentur, Informationen über deren Familienverhältnisse und Privatleben, ihre Mitgliedschaft in Parteien, Organisationen oder Gewerkschaften, eventuelle Vorstrafen und andere »sicherheitsrelevante« Fakten zu beschaffen. Dabei muss beiden Partnern bewusst gewesen sein, dass sie gegen das Recht auf den Schutz der Privatsphäre und gegen das Verbot der illegalen Sammlung personenbezogener Daten verstießen. Mitunter kamen auch noch rassistische Ressentiments hinzu: So wurde bei der Anfrage zu einem Paar ergänzt, dass sie Roma seien und damit »möglicherweise zu Gewalt neigen«.

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Ein weiterer Fall: Zu einem Mitarbeiter wurde präzisiert, er sei »von einem Tag zum anderen fordernder« geworden. Daher wolle man wissen, »woher diese Verhaltensänderung kommt«. Um die Richtung der Nachforschungen vorzugeben, wurde zu dem Mann noch mitgeteilt, dass er »Globalisierungskritiker« und »möglicherweise bei Attac aktiv« sei. Dieser Auftrag gipfelte in der Frage, ob hier »ökoterroristische Gefahr« bestehe.

Doch bei den Bespitzelungen ging es mit der Zeit nicht mehr um Nachforschungen bei einzelnen Personen. Wie die Ermittler feststellten, hätten die Aufträge »industrielle Ausmaße« angenommen. Meist wurden gleich Informationen zu Dutzenden Personen angefordert und in einem Fall eine Liste mit Namen von insgesamt 203 Mitarbeitern übermittelt.

Oft teilte der Sicherheitschef von Ikea mit, dass die Detektei Informationen aus dem streng vertraulichen Vorstrafenregister beschaffen könne oder aus der polizeiinternen Datei STIC. In dieser finden sich alle Informationen aus Ermittlungen zu Straftaten, auch wenn die Verdächtigten nicht strafrechtlich belangt oder später sogar »reingewaschen« werden. Die Weitergabe solcher Informationen aus der STIC-Datei wird den vier Polizisten auf der Anklagebank vorgeworfen.

Besonderes Aufsehen erregte der Fall des Verkäufers Adel Amara. Den unbequemen Gewerkschaftsvertreter in der Ikea-Filiale Franconville im Nordwesten von Paris wollte die Direktion unbedingt loswerden. Darum wurde 2010 die Sicherheitsfirma GSG beauftragt, Amara eine Falle zu stellen und »juristisch unangreifbare Fakten« zu beschaffen. Um ihn zu beobachten und das Personal auszuhorchen, wurde in der Filiale eine GSG-Mitarbeiterin als Kassiererin eingestellt, und ein pensionierter Polizist, der kurzfristig zum Sicherheitsverantwortlichen gemacht wurde, ermittelte gegen Amara nach eigenen Angaben »wie in einem Kriminalfall«. Der Gewerkschafter wurde schließlich 2011 wegen angeblichen Mobbens anderer Mitarbeiter entlassen. Das von ihm angerufene Arbeitsgericht sah diesen Vorwurf hingegen nicht bestätigt.

Den Ermittlern gegenüber sagte der Ikea-Sicherheitschef, dass er nicht aus eigener Initiative heraus gehandelt habe. Der Generaldirektor von Ikea France, Jean-Louis Baillot, sei über das Vorgehen informiert gewesen und habe dieses sogar gefordert.

Neben Baillot gehört auch der damalige Finanzdirektor der französischen Ikea-Tochter zu den Angeklagten. Er hat die Rechnungen der Detektei, die sich über die Jahre auf mehrere hunderttausend Euro summierten, abgezeichnet und musste somit ebenfalls über die illegalen Machenschaften im Bilde gewesen sein.

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