Nur kein Neid!

nd-Autor Rudolf Stumberger hat einen Ratgeber verfasst für alle, die nicht erben werden

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

Es gibt eine Menge Ratgeber zum Thema Erbschaften. Sogar Kurse an der Volkshochschule beschäftigen sich mit dieser Frage. Denn immer mehr Menschen in Deutschland profitieren vom Geld verstorbener Verwandter oder Partner. Zurückzuführen ist das, so der Münchener Soziologe und nd-Autor Rudolf Stumberger, auf die lange Wohlstandsperiode seit den 50er Jahren. Die hat erstmals auch Menschen aus der Mittelschicht in die Lage versetzt, mit ihrem Gehalt als Facharbeiter*innen oder durch kleine Unternehmen Vermögen anzuhäufen, meist in Form von Eigenheimen.

Zuvor gab es Erbschaften, die über die Uhr im Familienbesitz oder Schrankwände hinausgehen, zuvor nur bei Reichen. Die waren es seit Jahrhunderten gewöhnt, irgendwann leistungsloses Vermögen zu besitzen. Doch Stumberger geht es nicht um diejenigen, die das alles schon kennen, sondern um das neue Erben. »Dabei geht es um den Prozess, wie aus sozialer Gleichheit durch Erbschaften soziale Ungleichheit wird. Ein Prozess, der in dieser Form relativ neu ist.«

Gut lesbar führt der Autor mit zwei fiktiven Freunden mit ähnlichem Lifestyle und gleicher Einkommensklasse in das Problem ein. Einer von ihnen erbt plötzlich Geld, richtig viel Geld, so viel Geld. Nun denkt er über eine Eigentumswohnung in der Innenstadt nach, auf seinem Couchtisch liegen Prospekte für Jachten, vielleicht hört er auch auf zu arbeiten ... »Wie fast alle Erfahrungen in unserem Leben geht auch die Erfahrung des Entstehens von sozialer Ungleichheit durch Erbschaft mit Gefühlen einher«, schreibt Stumberger. Erb*innen hätten manchmal Schuldgefühle, worüber schon zu lesen war, doch völlig ausgeblendet würden die Gefühle der Nicht-Erb*innen: Resignation und Trauer bis hin »zum tiefen Empfinden sozialer Ungerechtigkeit durch die Aushebelung des ja angeblich herrschenden Leistungsprinzips in der Gesellschaft«, wie es Stumberger formuliert. Eines sollen die Nicht-Erb*innen nach allgemeiner Auffassung auf keinen Fall empfinden: Neid. »Bei näherer Betrachtung freilich nichts anderes als ein Kampfbegriff zur Verteidigung des leistungslosen Vermögens.«

Besonders den Sozialneid, aber auch andere Gefühle wie Ungerechtigkeit untersucht Stumberger, ordnet sie ein in die Geschichte des Erbens, stellt dem Begriff des leistungslosen Vermögens das Aushebeln des Leistungsprinzips durch Erbschaften gegenüber und stellt sich die spannende Frage: Wie sollen wir mit all diesen Gefühlen umgehen? Sein Fazit ist nüchtern: »Auf der individuellen Ebene bleibt den Nicht-Erben nichts anderes, als mit einem aufrechten Gang und gegenseitiger Unterstützung, Solidarität und Liebe ein authentisches Leben zu leben.«

Hier finden sich denn auch die Grenzen des Buches: Es ist eine soziologische Betrachtung eines Phänomens. Die beiden Kunstfiguren begleiten die Leser*innen zwar durchgehend, entwickeln sich aber nicht weiter. Ein guter Aufschlag, sich des Themas zu nähern, ist das Büchlein allemal. Und für die Leser*innengruppe, die sich tiefgründiger damit befassen will, sehr geeignet.

Rudolf Stumberger: Wir Nicht-Erben. Kleiner Ratgeber zum Umgang mit tabuisierten Gefühlen, Alibri,126 S., kart., 12 €.

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