Der Fälscher

Im Operativ-technischen Sektor

  • Helmut Müller-Enbergs
  • Lesedauer: 2 Min.

Günter Pelzl aus dem thüringischen Ammerbach, Jahrgang 1948, wird bereits als Schüler vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zur inoffiziellen Kooperation eingeladen. Da ist er 16 Jahre alt und wählt sich den Decknamen »Jürgen Junk«. Drei Jahre später nimmt er, nunmehr Mitglied der SED, das Chemiestudium in Jena auf, ist ab 1971 Forschungsstudent und ab 1974 wissenschaftlicher Mitarbeiter. Es deutet alles auf eine glänzende akademische Karriere hin, bis er 1976 hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS wird - und bis zu dessen Auflösung 1990 bleibt. Unaufgeregt und süffig widmet Pelzl fast die Hälfte seiner über 500 Seiten starken Erinnerungen jedoch jenen 15 Jahren, die er im Operativ-technischen Sektor des DDR-Geheimdienstes verbrachte.

Sein Arbeitsbereich jedoch hat es in sich: Pelzl laboriert zwar nicht an dem Nervengift Nowitschok, aber immerhin auf dem »besonders sensiblen Gebiet« der »Markierung« von Menschen mit »radioaktiven Substanzen«. Er meint, es sei »niemals bewiesen« worden, dass das MfS vorsätzlich versucht habe, damit »Menschen zu schädigen oder gar umzubringen«. Er offenbart jedoch auch: Viele Folgen radioaktiver Strahlung würden erst nach Jahren oder gar erst Jahrzehnten bei Kindern und Enkeln der Betroffenen auftreten. Der Chemiker Pelzl hat sich in seiner Arbeit auch umfassende medizinische Kenntnisse aneignen können.

Innerhalb der Abteilung 34, in der Pelzl arbeitete, habe man, wie es in einer Untersuchung von Mitarbeitern des Stasi-Archivs heißt, auftragsgemäß drei Methoden zur Markierung von Personen und Gegenständen unter Verwendung von Radionukliden entwickeln sollen: selbstklebende Plastefolie, radioaktive Stecknadeln und verspritzbare radioaktive Flüssigkeiten. Dem lagen Erkenntnisse der 50er Jahre zugrunde, die nicht durch spätere strahlenmedizinischen Erkenntnissen revidiert worden seien. Man habe unter anderem dem BND radioaktiv markierte Briefbögen zugespielt sowie Exemplare des in den Westen geschmuggelten Manuskripts des Dissidenten Rudolf Bahro »Zur Kritik des real existierenden Sozialismus« derart bestückt. Diesbezügliche Kritik und Selbstkritik vermisst man jedoch in den Memoiren von Günter Pelzl.

Günter Pelzl: Der Fälscher. Als Forscher im Operativ-Technischen Sektor des MfS. Autobiografie. Edition Berolina, 528 S., br., 19,99 €.

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