- Politik
- Sturm auf das Kapitol
Aufgang oder Untergang
Alexander Isele über die Stürmung des US-Kapitols
Diesmal hat sich die Demokratie in den USA gegen die Angriffe des US-Präsidenten und seiner Anhänger noch wehren können. Doch die Stürmung des Kapitols ist trotz der anschließenden Bestätigung von Joe Bidens Wahlsieg eine weitere, bildgewaltige Episode der tiefen Krise, in der die US-Gesellschaft und ihre Institutionen stecken. Die Frage bleibt, ob sie zu einem Weckruf wird oder ob ihr weitere, vielleicht schlimmere Episoden folgen. Oder wie es ein US-Abgeordneter ausdrückte: War die Stürmung der Sonnenauf- oder der Sonnenuntergang der US-Demokratie?
Trump ist keinesfalls Auslöser der Krise der Demokratie im Land, auch wenn der Präsident massiv Schuld trägt an der Aushöhlung jeglicher demokratischer Normen und Institutionen. Dass Letztere sich als robust genug erwiesen, um den von Trump angestoßenen und von dem gewaltbereiten und faschistoiden Teil seiner Anhängerschaft ausgeführten Umsturz zu verhindern, heißt nicht, dass es so bleiben muss. Die Sorgen der Menschen in den USA sind real: Ein Teil der Bevölkerung muss weiter um den ihm lang verwehrten Einfluss kämpfen. Ein anderer Teil wehrt sich gegen den Verlust seiner Privilegien. Die wenigsten gehören zu den Gewinnern des seit über 40 Jahren wütenden Neoliberalismus. Noch ist Trump nicht Geschichte, aber auch nach ihm wird es Demagogen geben, die die Sorgen und Nöte der Menschen für ihre Interessen zu instrumentalisieren verstehen.
Der neue Präsident Biden hat mit der Mehrheit in beiden Parlamentskammern nun die Chance, Politik für die Bedürfnisse der Menschen zu machen, auch wenn der Widerstand von Republikanern und auch Teilen der eigenen Partei groß sein wird. Sollte ihm das nicht gelingen, wird eine gesellschaftliche Aussöhnung nicht gelingen. Dann droht auch die Nacht in den USA lang zu werden.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.