Tote können nicht shoppen

Meine Sicht: Marie Frank über die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 2 Min.

Man muss sich schon wundern: Erst tut die Politik so, als gäbe es trotz Rekord-Infektionszahlen nichts Wichtigeres als Shopping und Weihnachten mit der Familie (was ja bekanntlich zusammengehört), und dann folgt blinder Aktionismus, der vieles noch schlimmer machen könnte, als es ohnehin schon ist. Es ist fraglich, ob es strategisch besonders klug ist, dass der Regierende Bürgermeister am Donnerstag verkündet, dass der Senat fünf Tage später entscheiden will, nahezu sämtliche Geschäfte zu schließen - ohne ein konkretes Datum zu nennen. Eine Folge: Die Leute rennen jetzt panisch in die Geschäfte, um schnell noch alle Weihnachtsgeschenke zu besorgen. Dabei sind die dadurch entstehenden Menschenansammlungen auf den Einkaufsstraßen das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können.

Schlauer wäre es gewesen, einfach am Dienstag zu sagen: Die Geschäfte werden ab sofort geschlossen, ohne große Vorankündigung. Oder noch besser: Statt den Macher zu mimen und es am Donnerstag nur zu proklamieren, in einer Sondersitzung gleich einen Beschluss zu fassen. Und am allerschlauesten wäre natürlich, nicht nur die Geschäfte zu schließen, sondern auch dem Unsinn mit dem gemeinsam Weihnachten feiern einen Riegel vorzuschieben. Denn wenn es so weiter geht, haben davon höchstens die Totengräber was. Vielleicht muss man es so zynisch formulieren, dass es auch die radikalen Marktanhänger*innen und Weihnachts-Christ*innen verstehen: Tote können weder shoppen noch Heiligabend feiern.

Machen wir uns nichts vor: Die Zahlen sind so dramatisch wie nie zuvor, die Krankenhäuser sind am Limit, die Zahl der an Covid-19-Verstorbenen steigt rasant. Wenn die Politik sich nicht traut, dem Wahnsinns-Vorhaben, dass ganz Deutschland an den Feiertagen quer durch die Republik reist und so eine Riesen-Corona-Party feiert, ein Ende zu bereiten, liegt es bei uns selbst. Jede*r Einzelne muss sich fragen: Muss ich wirklich an Weihnachten zu meinen Verwandten fahren, auf die Gefahr hin, dass es dadurch für sie oder für mich das letzte Familienfest sein könnte?

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