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Jazz ist freundlich
Man probiert etwas aus; was nicht klappt, wird verworfen; was für schön befunden wird, wird dokumentiert.
Eine der vielen Schönheiten des Jazz liegt in der Organisation der Musiker*innen, die menschenfreundlicher erscheint als im Organisationsprinzip Rock. Man findet sich zusammen, produziert gemeinsam Musik, die in einer anderen Konstellation nicht hätte entstehen können, und geht wieder auseinander.
Eine temporäre Kooperation, die aber nichts Unverbindliches hat, sondern, wenn es gut läuft, eine Intensität bedingt, die die Teilnehmenden für den Moment der Entstehung verbindet, sie aber darüber hinaus nicht bindet. Anders als in der klassischen Rockband, in der Personalwechsel immer verdächtig sind - Freundschaften zerbrechen, Eitelkeiten schlagen durch, es geht ums Geld. Die Produktionseinheit hat konstant zu bleiben.
Der Schlagzeuger Makaya McCraven reist gerne, trifft sich an den Orten mit Musiker*innen und macht Aufnahmen, die er dann mit ins Studio nimmt, schneidet, loopt und wieder zusammensetzt. Sein vorletztes Album »Universal Beings« wurde in Los Angeles, New York, Chicago und London eingespielt. Man hört einige der interessantesten jungen und mittelalten Jazz-Musiker*innen zurzeit, den Bassisten Junius Paul zum Beispiel, Jeff Parker an der Gitarre, die Harfenistin Brandee Younger und den Saxofonisten Shabaka Hutchings. Die Stücke sind live entstanden, improvisiert über ein oder zwei Rhythmen oder Melodie-Patterns. Die vier Mitschnitte mit vier unterschiedlichen Besetzungen ergaben 2018 eine der stimmigsten, zugänglichsten und zugleich innovativsten Jazz-Platten des Jahres.
Jetzt ist mit »Universal Beings E & F Sides« eine Art Zugabenalbum erschienen, 14 kurze Stücke, zumeist drei, vier Minuten lang. Im Zentrum steht stärker als auf »Universal Beings« das Schlagzeug, und das klingt hier vor allem fett und trotzdem filigran.
Man merkt, dass McCraven nicht nur mit der Bearbeitung der Aufnahmen auf Hip-Hop-Techniken zurückgreift, sondern auch in seinem Spiel. Ich kenne keinen Jazz im Moment, der derart entspannt und treibend groovt, ohne auf Klischees zurückzugreifen. Zum Einstieg kann man sich die drei Tracks anhören, die im Haus Jeff Parkers in Altadena, Kalifornien aufgenommen wurden, in der Besetzung Saxofon, Violine, Gitarre, Bass, Percussion und Schlagzeug (»Dadada«, »Universal Beings pt. 2« und »Butterss Fly«). Skizzenhafte Stücke, die bewusst unfertig bleiben dürfen und deren konzentrierte Entspanntheit gerade aus dem Wissen um die Möglichkeiten kommt, die das unfertig Bleibende bietet.
Man probiert etwas aus; was nicht klappt, wird verworfen; was für schön befunden wird, wird dokumentiert. Ein Werk kann so nicht entstehen, dafür aber musikalische Schönheit, die verbunden ist mit den Momenten, in denen sie aufgenommen und in denen sie gehört wird.
Makaya McCraven: »Universal Beings E & F Sides« (International Anthem/Indigo)
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