Myanmar vertraut der Ikone

Partei der umstrittenen Politikerin Aung San Suu Kyi gewinnt Parlamentswahl

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Ihre Strahlkraft mag in den vergangenen fünf Jahren etwas verblasst sein. Eine Mehrheit unter der Bevölkerung Myanmars hält Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi weiter für die richtige Person, mit ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD) das südostasiatische Land zu regieren. Die einstige Ikone der Demokratiebewegung ist im Ausland wegen der Verteidigung der brutalen Militäroffensive im Teilstaat Rakhine, der an die 780 000 Angehörige der Rohingya-Minderheit zur Flucht nach Bangladesch trieb, mittlerweile umstritten.

Bei der Parlamentswahl am Sonntag schnitt die Nationale Liga für Demokratie deutlich besser ab, als von vielen nach einigen Enttäuschungen über seit 2015 unerfüllte Erwartungen erwartet worden war. Schon wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale bejubelten in der Wirtschaftsmetropole Yangon und der zweitgrößten Stadt Mandalay so viele Anhänger den Sieg der NLD, dass die Behörden extra auf Einhaltung von Abstandsregeln drängten. Schließlich ist Myanmar seit Wochenbeginn, als Singapur überrundet wurde, nach Indonesien und den Philippinen Nummer drei unter den südostasiatischen Corona-Hotspots.

Teller und Rand - der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

Gleichwohl änderte die Pandemie nichts an einer hohen Wahlbeteiligung: Abstimmungswillige warteten teils schon morgens um halb fünf vor den Wahllokalen, obwohl diese landesweit erst um 6 Uhr, mancherorts gar erst 6.30 Uhr öffneten. Umstritten war die Absage des Urnengangs in diversen Kommunen und Teilregionen durch die Wahlkommission, die Sicherheitsaspekte ins Feld geführt hatte. Im Rakhine-Staat, von der Anordnung überdurchschnittlich betroffen, konnten nur die Einwohner im südlichen Zipfel wählen - gerade mal ein Viertel von 1,6 Millionen Gesamtbevölkerung.

Scheinbar mit Leichtigkeit konnten zahlreiche NLD-Größen ihre Mandate der ersten freien Wahl nach fast fünf Jahrzehnten Militärherrschaft 2015 verteidigen, Aung San Suu Kyi selbst legte gar um 10 000 auf nun 60 000 Stimmen zu. Ebenso siegten Präsident Win Myint, einer ihrer Stellvertreter an der NLD-Spitze, der zweite Parteivize Zaw Myint Maung (zugleich Chefminister der zentralen Region Mandalay) sowie weitere bisherige Vorsteher von Regionalregierungen mit NLD-Parteibuch. Im Fall von L Phaung Sho im Kayah-Staat störte offenbar nicht einmal, dass dieser vom Präsidenten wegen Korruptionsvorwürfen als Chefminister abgesetzt worden war.

Es gab Landstriche, wo die weiterhin dominante politische Kraft des Landes in den Minderheitengebieten Federn lassen musste. Die ethnische Regionalpartei ANP konnte in Rakhine ebenso zulegen wie die Mon Unity Party im östlichen Mon-Staat. Großflächige Verluste der NLD an lokale Konkurrenten blieben aber im nördlichen Kachin- ebenso wie im benachbarten Shan-Staat aus. Dabei hatten sich in einigen Landstrichen bisher zerstrittene Interessenvertreter einzelner Minderheiten extra vor der Wahl vereint, um bessere Chancen zu haben. Hinter ihren Erwartungen blieb auch die größte Oppositionspartei USDP zurück, die nach wie vor als Verbündeter des früheren Militärregimes gilt - viele ihrer Kader waren ehemals Offiziere. Noch vom Ausklang der Diktaturzeit stammt die Verfassung, die für Parlamente aller Ebenen 25 Prozent ernannte Abgeordnete aus Kreisen der Armee (Tatmadaw) vorschreibt: Eine Sperrminorität bei wichtigen Abstimmungen, zu der bei Bedarf die Stimmen der USDP noch dazukommen.

Diese konnte in der Hauptstadt Naypyidaw, die sonst komplett an die NLD ging, in einem Wahlkreis gewinnen - dort befindet sich das Hauptquartier des nach wie vor auch über drei direkt kontrollierte Ministerien einflussreichen Militärs. Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing, neben Suu Kyu das konkurrierende Machtzentrum im Land, hatte in der Vorwoche mit Kritik an der Wahlkommission für einige Aufregung gesorgt, am Ende aber betont, das Wahlergebnis anzuerkennen. Wahlbeobachter wie die der People’s Alliance for Credible Elections (PACE), die landesweit 1888 Helfer*innen im Einsatz hatte, attestierten eine bis auf wenige Ausnahmen gelungene Abstimmung im generellen Verlauf wie auch bei den Corona-Schutzmaßnahmen in den Wahllokalen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -