Myanmar wird zum Corona-Hotspot
Binnen weniger Wochen Vervielfachung der Infiziertenzahl / Opposition fordert Verlegung der Parlamentswahlen
Noch bis weit in den Vormonat hinein schien alles halb so schlimm: Rund 400 bestätigte Infektionsfälle und sechs Tote. In den paar Wochen seither hat sich eine ungeheure Dynamik im Infektionsgeschehen entfaltet. Zum Monatswechsel ist nun die Marke von 10 000 Infizierten überschritten worden, die Zahl der Verstorbenen liegt nun bei 226. Nachbar Thailand hat 16 von 21 Grenzübergängen geschlossen. Der bilaterale Handel, der bereits in vergangenen fünf Monaten um 9,7 Prozent gesunken ist, droht weiter einzubrechen. 24 Oppositionsparteien haben die Wahlkommission aufgefordert, die für den 8. November angesetzte Parlamentswahl zu verschieben. Wahlkommission und die Regierungspartei NLD von Aung San Suu Kyi wiegeln ab.
Epizentrum dieser Ausbreitungswelle ist Yangon - frühere Hauptstadt, Wirtschaftsmetropole und mit Abstand größter urbaner Ballungsraum des Landes. Der regionale Krisenstab im Gebiet Yangon plant in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium die Schaffung von 5000 zusätzlichen Krankenhausbetten, nachdem Mitte September die drei bisherigen Behandlungszentren für Corona-Fälle zu 95 Prozent ausgelastet waren. Neben zwei kleineren Einheiten mit je 70 Betten ist dies ein temporäres Hospital mit einer Kapazität von bis zu 1050 Patienten.
Auf die Millionenmetropole entfällt die Hälfte aller bestätigten Infektionsfälle, an Nummer zwei liegt der nordwestliche Bundesstaat Rakhine, vor drei Jahren Schauplatz der Massenflucht von Angehörigen der muslimischen Rohingya-Minderheit nach einer brutalen Militäroffensive. Rakhine wird von mehreren Konflikten erschüttert, im Norden stoßen immer wieder Armeesoldaten und Aufständische der Arakan Army aufeinander.
Faktisch gibt es diverse Bürgerkriegsgebiete in Myanmar, wo es jederzeit zu neuen Gefechten zwischen Militär und diversen Rebellengruppen der ethnischen Minderheiten kommen kann. Tausende Einwohner harren als Geflüchtete in Lagern und Notunterkünften aus, und fehlende Investitionen in die Infrastruktur zu Diktaturzeiten haben das Gesundheitssystem so gebeutelt, dass trotz Fortschritten der ersten demokratischen Regierung unter Aung San Suu Kyi die medizinische Versorgung in den ländlichen Regionen nur rudimentär existent ist. All dies macht das Land verletzlich. Tests sind nur begrenzt möglich - Experten gehen davon aus, dass sich bis zu 10 000 nicht registrierte Fälle über das Land verteilen könnten. Den Behörden sind diese Gefahr und die begrenzten Möglichkeiten des eigenen Handelns bewusst.
In Yangon steht das öffentliche Leben nahezu still. Schulen waren schon geschlossen worden, doch jetzt gilt die Order, insgesamt zu Hause zu bleiben - bis auf wenige Ausnahmen selbst Berufstätige. Besonders schlimm trifft die Quarantäne die zahlreichen Straßenhändler. Einige widersetzen sich den Verboten, um wenigstens ein paar Kyat an Einnahmen zu haben. Da unter diesen Bedingungen Druck und Vertrieb nicht funktionieren, haben die meisten Zeitungen ihr Erscheinen temporär eingestellt.
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