Der Schallschutz muss erfüllt werden
BGH zu Trittgeräuschen auf Fliesen
Von oben ist jeder Schritt zu hören, unten sind die Wohnungseigentümer genervt. Der Austausch von Teppich gegen Fliesen hat einen Nachbarschaftskrach ausgelöst.
In dem Fall aus Nordrhein-Westfalen hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 24. Juni 2020 (Az. 173/19) entschieden, dass die Grenzwerte des Trittschallschutzes eingehalten werden müssen, die im Baujahr der Wohnung galten.
Das gelte auch dann, wenn die Geschossdecke fehlerhaft konstruiert ist und der Trittschallschutz bei ordnungsgemäßer Bauweise eingehalten würde, urteilte der V. Zivilsenat. Er wies die Berufung des Eigentümers einer Dachgeschosswohnung gegen ein entsprechendes Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 2019 (Az. 19 S 152/18) zurück. »Zwischen Wohnungseigentümern bestehen Rücksichtnahmepflichten«, betonte die Vorsitzende Richterin.
Das Haus war 1962 gebaut worden, die Dachgeschosswohnung war bei einem Ausbau im Jahr 1995 entstanden und mit Teppichboden ausgestattet worden. 2008 ließ der Beklagte den Teppich gegen Fliesen austauschen. Ein Gutachten ergab 2013, dass die Geschossdecke nicht den Mindestanforderungen an den Schallschutz genügt. Die Eigentümergemeinschaft lehnte es aber ab, diese Decke entsprechend zu ertüchtigen.
Das Landgericht verurteilte den Eigentümer der Dachgeschosswohnung, durch geeignete Maßnahmen den Trittschallpegel auf das zulässige Maß zu reduzieren. Maßgeblich ist dabei der Grenzwert aus der DIN 4109 in der Ausgabe von 1989, der bei 53 Dezibel liegt. Mit Fliesenbelag wird er um 14 Dezibel überschritten.
Nach Angaben des BGH darf sich der Trittschall durch Austausch des Fußbodenbelags verschlechtern, allerdings nur im Rahmen der gültigen Grenzwerte. Dem Beklagten sei es zumutbar, zum Beispiel Teppich auf den Fliesen zu verlegen oder Schallschutzmatten einzubauen. »Welche Maßnahme er ergreift, bleibt ihm überlassen«, urteilten die BGH-Richter.
Demgegenüber sei die Ertüchtigung des Gemeinschaftseigentums aufwendiger und mit weitaus höheren Kosten verbunden. Ob der Beklagte Ansprüche gegen die Eigentümergemeinschaft auf Verbesserung der Geschossdecke hat, entschied der Senat nicht.
Die Vertreterin des Beklagten hatte in der Verhandlung im März argumentiert, dass die Fliesen ordnungsgemäß verlegt worden seien und sich der Eigentümer darauf verlassen durfte, dass die Geschossdecke den notwendigen Trittschallschutz gewährleiste. Deshalb müsse die Eigentümergemeinschaft eine Sanierung bezahlen.
Für die Kläger hatte dessen Anwalt erwidert, der Beklagte könne die Gemeinschaft ja in Anspruch nehmen. Wenn er das aber nicht mache, sei er verantwortlich. Außerdem hätte es Möglichkeiten gegeben, zu verhindern, dass sich mit den Fliesen der Trittschall verstärke, etwa mit einer dämmenden Unterlage.
2018 hatte der Bundesgerichtshof (Az. V ZR 276/16) in einem ähnlichen Fall entschieden, dass ein Eigentümer bei der Modernisierung seines Badezimmers den Schallschutz nicht verbessern muss. Auch dabei gelte der Grenzwert aus dem Baujahr. Ein Wohnungsbesitzer hatte gegen seine Nachbarn aus der darüber liegenden Wohnung geklagt, weil diese den Estrich des Badezimmers erneuert und eine Fußbodenheizung eingebaut hatten.
In solchen Fällen sei der Umfang des Eingriffs in die Bausubstanz entscheidend. Komme dieser einem Neubau gleich, etwa beim Ausbau eines Dachgeschosses, müssten die aktuellen, strengeren Lärmschutz-Grenzwerte eingehalten werden. In allen anderen Fällen verpflichte ein Eingriff in das Gemeinschaftseigentum, hier in den Estrich, nur zur Wiederherstellung des vorherigen Zustands. dpa/nd
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.