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Libanons Regierung zerfällt

Massive Proteste nach Explosion im Hafen erzwingen Rücktritt des Ministerpräsidenten

  • Philip Malzahn
  • Lesedauer: 2 Min.

Nachdem am Sonntag Informationsministerin Manal Abdel Samad und Umweltminister Damianos Kattar ihr Amt aufgegeben hatten, folgten im Laufe des Montags Justizministerin Marie Claude Najm sowie Finanzminister Ghasi Wasni. Am Abend kündigte Gesundheitsminister Hamad Hassan nach einer Kabinettssitzung den Rücktritt des Ministerpräsidenten Hassan Diab an.

Mit ihrem Aus reagiert die Regierung des Landes auf die massiven Proteste der vergangenen Tage, die nach zwei Explosionen in der libanesischen Hauptstadt Beirut ausgebrochen sind. Bei dem tragischen Unfall vergangene Woche sind mehr als 150 Menschen getötet und mehr als 6000 verletzt worden; 300 000 wurden obdachlos. Nach Regierungsangaben waren 2750 Tonnen Ammoniumnitrat explodiert, das im Hafen gelagert worden war. Die genauen Ursachen der Explosionen sind noch immer unklar.

Zudem steckt das Land in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990. Offiziellen Angaben zufolge leben inzwischen mehr als 45 Prozent der Libanesen unter der Armutsgrenze. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 35 Prozent.

Die derzeitige Technokratenregierung ist das Ergebnis einer breiten Protestbewegung, die im Oktober 2019 aufflammte. Doch nach Ansicht der Demonstranten ist sie kläglich gescheitert. Die Explosion von vergangener Woche ließ die Wut der Bevölkerung wieder aufflammen, nachdem die Proteste - unter anderem aufgrund des grassierenden Coronavirus - im Frühling dieses Jahres abgeflaut waren.

Bei einer internationalen Geberkonferenz für Libanon am Sonntag kamen 252,7 Millionen Euro Soforthilfe zusammen, wie Kreise des französischen Präsidialamtes nach einer Videoschalte berichteten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron leitete gemeinsam mit den Vereinten Nationen das virtuelle Treffen, an dem auch US-Präsident Donald Trump und Vertreter von mehr als 30 weiteren Staaten und Organisationen teilnahmen.

Kritik an dem Vorhaben kam unter anderem aus dem Iran. Dieser hat ausländische Staaten vor einer Einmischung im Libanon gewarnt. »Die Explosion war ein großer und bitterer Vorfall und es ist daher verständlich, dass die Menschen aufgebracht sind und Konsequenzen fordern«, sagte Außenamtssprecher Abbas Mussawi am Montag. Es gebe aber auch Anzeichen für Provokationen ausländischer Staaten, die ihre eigenen politischen Ziele verfolgten. »Das ist inakzeptabel«, sagte der Sprecher der Nachrichtenagentur Irna. Bei den Unruhen im Libanon gab es auch Proteste gegen die vom Iran unterstütze Hisbollah. Diese agiert mit einem militärischen, zivilen und politischen Flügel sowohl als paramilitärische Miliz wie auch als etablierte Partei und zivilgesellschaftlicher Akteur über diverse Tochterorganisationen. Mit Agenturen Kommentar Seite 8

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