Waffenbrüder
Ungarns Streitkräfte rüsten mit deutscher Hilfe auf
Das osteuropäische Nato- und EU-Mitglied Ungarn modernisiert aufwendig seine Streitkräfte und stellt deren Technik dabei ganz auf die Technik des Westens um. Vor allem mit Hilfe deutscher Rüstungsgüter soll nach dem Willen der Regierung in Budapest die Armee des Donaulandes dabei mit der Bundeswehr weitgehend kompatibel werden. Dafür wurde ein milliardenschweres Beschaffungsprogramm aufgelegt. Für deutsche Hersteller sind damit Großaufträge verbunden und sie liefern pünktlich: Als Vorhut der Rüstungsoffensive trafen am vergangenen Freitag bei der 25. Schützenbrigade der ungarischen Armee in Tata, 70 Kilometer westlich von Budapest, die ersten vier Leopard-Panzer ein. Dienen sollen diese Ausbildungszwecken.
Auf ihrer ersten Auslandsreise seit Beginn der Coronakrise hatte die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) vor wenigen Tagen neben Polen und Bulgarien auch dem Großkunden der deutschen Rüstungsindustrie Ungarn einen Besuch abgestattet. Nach den »sehr intensiven und freundschaftlichen Gesprächen« mit ihrem Amtskollegen Tibor Benkö hatte Kamp-Karrenbauer in Budapest betont, dass sich beide Partner »im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sehr nahe sind«. Die Ministerin konnte an gut gepflegte Beziehungen anknüpfen: Ihre Vorgängerin im Amt Ursula von der Leyen, seit Dezember 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission, hatte vor einem Jahr die bilaterale Rüstungspartnerschaft unter Dach und Fach gebracht. Einen besonders engen Draht hält die Regierung von Viktor Órban und seine Fidesz-Partei zur CSU nach Bayern. Dort sind nicht nur Schwergewichte der Rüstungsindustrie angesiedelt; der süddeutschen Automobilindustrie dient das Niedriglohnland Ungarn auch als verlängerte Werkbank.
In Bayern werden auch die 36 H-145M-Kampfhelikopter produziert, die Ungarn beim europäischen Konzern Airbus bestellt hat. Der Münchner Hersteller Krauss-Maffei liefert ab 2023 44 Leopard-Kampfpanzer der neuesten Generation. Der Leopard löst den noch aus sowjetischer Produktion stammenden T-72 als Standardpanzer der ungarischen Truppen ab. Außerdem bezieht Budapest im Rahmen seines Beschaffungsprogramms deutsche Brückenverlegesysteme, 24 Panzerhaubitzen und Technologie zur Luftverteidigung. Die Kosten der Deals werden von Experten auf insgesamt weit mehr als eine Milliarde Euro geschätzt.
2021 wird Ungarn seine Verteidigungsausgaben um ein Viertel erhöhen, in den kommenden neun Jahren sollen sie auf die von der Nato-Führungsmacht USA von den Mitgliedern der Allianz geforderte Marke von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung gebracht werden. Neben Ungarn rüsten auch die anderen Nato-Mitglieder in der Region derzeit massiv auf. Russland dient letzteren dabei als Feindbild. Westeuropäische und US-Konzerne liefern sich mit Unterstützung ihrer Regierungen Rennen um Aufträge. Anders als etwa bei Polen oder den baltischen Staaten sind Ungarns Beziehungen zu Russland, dank einer Schaukelpolitik, entspannt. Bei einem Besuch in Budapest im Februar 2019 hatte US-Außenminister Mike Pompeo die Regierung Órban vor weiterer Annäherung an Moskau gewarnt.
mit Agenturen Kommentar Seite 8
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