Beijings abtrünniger Freund

Die Volksrepublik China ist auch für Großbritannien ein wichtiger Wirtschafts- und Handelspartner. Verschlechterte Beziehungen schaden beiden Seiten

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor fünf Jahren sagte die britische Regierung den Beziehungen zu China ein »goldenes Jahrzehnt« voraus. Damals gaben sich die zwei Nationen als beste Freunde, milliardenschwere Deals wurden geschlossen. Großbritannien wollte zum wichtigsten Verbündeten Chinas im Westen werden. Aber die Dekade ist vorzeitig und abrupt zu Ende gegangen, mittlerweile ist das Verhältnis im Tiefkühler.

Vergangene Woche entschied die britische Regierung, den chinesischen Telekommunikationskonzern Huawei vom Aufbau des 5G-Mobilfunknetzwerks auszuschließen - ein Schritt, der in China für große Verärgerung gesorgt hat. Wenige Tage später setzte Großbritannien das Auslieferungsabkommen mit Hongkong aus; Boris Johnson reagierte damit auf die Einführung des umstrittenen Sicherheitsgesetzes seitens der chinesischen Regierung, mit dem sie sich neue Befugnisse in Hongkong gegeben hat. Zudem hat London Waffenlieferungen in die Sonderverwaltungszone gestoppt.

Als ehemalige Kolonialmacht - bis 1997 war Hongkong eine Kronkolonie - fühlt Großbritannien noch immer eine gewisse Verantwortung für das Gebiet. Das kürzlich angekündigte Angebot an rund drei Millionen Bürgerinnen und Bürger von Hongkong, in Zukunft einfacher die britische Staatsbürgerschaft annehmen zu können, soll eine gewisse Solidarität zum Ausdruck bringen.

Aber hinter der harten China-Politik der britischen Regierung steckt mehr: Vor allem steht sie unter dem Druck der USA. Donald Trump und sein Außenminister Mike Pompeo verfolgen einen sehr aggressiven Kurs gegenüber der ostasiatischen Wirtschaftsmacht - und sie tun alles, um ihre westlichen Verbündeten in ihre Kampagne einzubinden. Monatelang hat Washington die britische Regierung gedrängt, Huawei vom britischen Markt auszuschließen. Vergangene Woche hat Johnson schließlich gespurt.

Pompeo, der am Dienstag zu Besuch in London war, zeigte sich zufrieden mit dem Entscheid zu Huawei und dem Auslieferungsabkommen mit Hongkong. »Ich gratuliere der britischen Regierung für die prinzipienfesten Reaktionen auf diese Herausforderungen«, sagte er in der Pressekonferenz. »Well done« - das habt ihr gut gemacht.

Zu Hause kommt der raue Ton gegenüber China weitgehend gut an. Lisa Nandy, bei der oppositionellen Labour-Partei für die Außenpolitik zuständig, begrüßte die Aussetzung des Auslieferungsabkommens. »Es sendet eine klare Botschaft, dass Großbritannien weiterhin an der Seite der Bürger von Hongkong steht und die nötigen Schritte unternimmt, um ihre Rechte zu wahren.« Die Opposition verweist insbesondere auf die Menschenrechtsverletzungen in der Region Xinjiang, wo die uigurische Minderheit seit Jahren vom chinesischen Staat drangsaliert wird. Innerhalb der Tory-Partei gibt es jedoch auch Stimmen, die ein noch härteres Vorgehen fordern: Sie würden China gern ganz von strategisch wichtigen Infrastrukturprojekten in Großbritannien ausschließen - sei es in der Telekommunikation oder beim Bau von Atomkraftwerken, an denen chinesische Firmen ebenfalls beteiligt sind.

Johnson ist in einer Zwickmühle: China ist in den vergangenen zwanzig Jahren in wirtschaftlicher Hinsicht für Großbritannien enorm wichtig geworden. Die Exporte nach China haben in den vergangenen 14 Jahren um das Sechsfache zugenommen, zudem bringt China Investitionen, Touristen und Studenten ins Land. Viele britische Unis sind sehr international ausgerichtet und deshalb auch finanziell abhängig von ausländischen Studenten - und mit Abstand die meisten kommen aus China. Carolyn Fairbairn, die Vorsitzende des Industrieverbands CBI, warnte kürzlich, dass es sich Großbritannien nicht leisten könne, die wirtschaftlichen Verbindungen zu China zu kappen.

Boris Johnson betont auch, dass er nicht vorhabe, ein »reflexhafter Sinophobe« zu werden: Wenn es nötig sei, wolle er zwar »hart« sein im Umgang mit China, aber er werde die Verbindungen zum Land weiterhin pflegen. Johnson will weder China noch die USA zu sehr vor den Kopf zu stoßen. Johnson hat keine andere Wahl, denn nach dem Brexit ist das Land angewiesen auf intensivere Handelsbeziehungen mit Ländern außerhalb Europas.

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